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Der Wunsch des Re

Der Wunsch des Re

Titel: Der Wunsch des Re Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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Seitdem jedoch Meritusir für ihn unerreichbar schien, hatten sich finstere Dämonen in seinem Herzen eingenistet und vergifteten es mit solcherlei Ideen.
    »Ich brauche Verbündete«, spann er seinen Gedanken weiter, »Männer und Frauen, die mir blind gehorchen und keine Furcht vor der Bestrafung im Diesseits wie im Jenseits haben. Doch wie soll ich an solche Menschen gelangen? Besteht nicht immer die Gefahr, dass sie mir in den Rücken fallen, mich verraten, wenn ich mich ihnen offenbart habe?«
    Unschlüssig erhob er sich und trat hinaus in den Garten, der von Schatten spendenden Bäumen und mannshohen, blühenden Hecken bewachsen war. Ein Gärtner war dabei, einen Oleanderstrauch zurechtzustutzen, ein anderer säuberte den kleinen Teich von heruntergefallenem Laub. Er beachtete die Männer nicht und suchte sich ein abgeschiedenes Plätzchen unter einer Sykomore, wo er sich niederließ.
    In der letzten Zeit hatte er sich ziemlich zurückgezogen und verbrachte die meiste Zeit in seinen Gemächern. Er hatte keine rauschenden Feste mehr gegeben und war seit gut einem Monat nicht mehr auf die Jagd gegangen. Seine weibliche Dienerschaft fürchtete sicherlich, dass er schwer erkrankt sei, da er nicht einmal mehr eine von ihnen auf sein Lager geholt hatte, doch wie sollte er. Er konnte Meritusir nicht vergessen.
    »Hoheit«, riss ihn die Stimme seines Hausverwesers aus seinen Grübeleien.
    »Was gibt es?«, blaffte er den Mann ärgerlich an.
    »Seine Majestät ist hier und wünscht dich zu sprechen.«
    »Ramses ist da?« Überrascht stand Sethi auf und strich seinen Schurz glatt. »Bitte ihn in den Pavillon und bringe Wein und Gebäck.«
    Der Mann verneigte sich und verschwand, während sich der Prinz zu der kleinen Gartenlaube unweit des Teiches begab.
    Kurze Zeit später stand Ramses vor ihm.
    »Was verschafft mir die Ehre deines Besuchs, lieber Neffe?« Freundlich forderte er Ramses auf, Platz zu nehmen.
    »Ich wollte wissen, wie es dir geht?«, antwortete Ramses und ließ sich auf einem Sitzmöbel nieder. »Wie ich höre, bekommt dich kaum jemand zu Gesicht. Kein fröhlich trunkenes Gelächter weht mehr aus deinen Gemächern an meine Ohren. Zudem sollen deine Dienerinnen vor Sehnsucht und Sorge um dich fast vergehen«, fügte er verschmitzt lächelnd hinzu, doch Sethi zog nur ein langes Gesicht und antwortete nicht. »Ist es noch immer wegen Meritusir?«, fragte er geradeheraus.
    Sethi bejahte. »Sie geht mir einfach nicht aus dem Sinn«, gestand er und sah niedergeschlagen zum Pharao.
    Diesem entging sein Blick nicht. Unendlich viel Schwermut lag in ihm, dass Ramses das Herz zu schmerzen begann. »Ich habe wirklich nicht geahnt, dass du sie so sehr liebst«, meinte er betroffen und nahm den Becher aus durchscheinendem Alabaster, den eine liebreizende Nubierin vor ihm auf den Tisch gestellt hatte.
    »Bitte, Ramses, du bist der Herr der Beiden Länder, du hast die Macht. Ich flehe dich an, gib sie mir zur Gemahlin.« Die Anteilnahme seines Neffen hatte einen Funken Hoffnung in Sethis Herzen aufflackern lassen.
    Ramses schüttelte den Kopf. »Du weißt, dass ich das nicht kann. Meritusir ist die Gemahlin von Amunhotep. Selbst mir, dem Pharao, steht es nicht zu, daran etwas zu ändern. Ich kann sie nicht einfach Amunhotep wegnehmen, um sie dir zur Frau zu geben. Das geht einfach nicht. Auch wenn es dir schwerfällt, Sethi, du musst dich damit abfinden.« Er sah seinem Onkel mitfühlend in die Augen. Dann stellte er den Becher zurück auf den Tisch und verabschiedete sich.
    Ernüchtert blieb Sethi allein zurück.
    Noch einmal hatte er versucht, Ramses umzustimmen, ein weiteres Mal hatte er ihn angefleht, ihm die geliebte Frau zur Gemahlin zu geben. Es war wieder erfolglos gewesen. Jetzt stand sein Entschluss endgültig fest.
    »Die Zeit ist gekommen, dass ich handeln muss. Es geht nicht anders. Entweder Amunhotep oder Ramses – einer von beiden muss sterben. Sollte es nicht anders gehen, dann eben auch beide!«
    Ihm war bewusst, dass für einen solchen Frevel sein Herz schwerer wiegen würde als die Feder der Göttin Maat. Was kümmerte ihn aber sein Leben im Jenseits, wenn er im Diesseits nicht glücklich werden konnte? Er liebte und litt in dieser Welt. Vielleicht würde es ihm gelingen, sich beim Gericht des Totengottes durchzumogeln. Es gab jede Menge Zaubersprüche, die dem Toten helfen sollten, seinen Weg in den Schönen Westen zu finden und das Totengericht problemlos zu überstehen.
    »Zaubersprüche!«,

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