Der Wunsch des Re
das ist doch ganz einfach«, entgegnete Sethi. »Würdest du nicht lieber schöne Gewänder tragen anstelle eines Hemdes und dieses derben Lendentuchs, dich mit einem goldenen Armreif schmücken anstelle des Kupferreifs, der jedem sagt, dass du eine verurteilte Leibeigene bist, deine Haare wieder wachsen lassen ...?«
Überrascht hatte Satra den Kopf gehoben und starrte den Prinzen verständnislos an, senkte jedoch schnell wieder ihren Blick. »Aber, Hoheit, du sagst es doch selbst. Ich bin zu Leibeigenschaft und Zwangsarbeit auf Lebenszeit verurteilt, und der Oberpriester ist mein Gebieter. Wie also sollte ich je zu schönen Gewändern kommen oder zu edlem Schmuck?«
»Ich weiß, der Oberpriester würde dir solche Dinge nie zugestehen. Für ihn bist du kein Mensch. Du gehörst ihm einfach. Du bist sein Eigentum, so wie eine Kuh, eine Ziege oder ein Schaf. Würdest du aber mir gehören, würde ich auf der Stelle zu Ramses gehen und um deine Begnadigung bitten. Ja, das würde ich tun.«
»Ach wirklich?«, rutschte es Satra heraus. »Und dann würdest du mir das alles schenken?«
»Aber natürlich, meine Schöne.« Erneut fuhr Sethi ihr sanft über ihren Schädel, während die harten Stoppeln erregend an seinen Fingerkuppen kitzelten. »Du würdest alles von mir bekommen, was du dir wünschst. Und sollte dich Ramses nicht begnadigen wollen, so schenke ich dir trotzdem all diese Dinge, denn das kann mir selbst der Herr der Beiden Länder nicht verwehren. Und ...«
Er stockte. Es erschien ihm nicht ratsam, Satra so unerwartet seine Zuneigung zu gestehen. Es kam zwar vor und war nicht ungewöhnlich, dass ein Herr seine Dienerin heiratete oder eine vornehme Dame ihren Leibeigenen zum Ehemann nahm; er wollte jedoch behutsam vorgehen und nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen.
Betretenes Schweigen folgte, in dem nur das Zwitschern der Vögel zu hören war.
»Bitte, Hoheit«, flüsterte Satra nach einer Weile, »bin ich entlassen? Ich muss wieder zurück zu meinem Herrn.«
Der Prinz bejahte. »Du darfst gehen, Satra, aber denke darüber nach, was ich dir gesagt habe. Amunhotep wird dir all das niemals bieten, aber ich.«
»Ja, Hoheit«, erwiderte Satra mit belegter Stimme, »das werde ich.«
Sie bückte sich nach den Rollen und dem Schreibzeug und nahm ihre Sandalen auf. Dann zog sie sich schleunigst in Richtung der Gästegemächer zurück.
Die Worte des Prinzen gingen ihr dabei nicht aus dem Kopf. Sie war so in Gedanken versunken, dass sie beinahe mit einer der Hofdamen zusammengestoßen wäre. Satra murmelte eine Entschuldigung und bog in Richtung der Dienstbotenunterkünfte ab, um sich im dortigen Garten eine ruhige Ecke zu suchen. Sie musste über das, was Prinz Sethi ihr soeben gesagt hatte, nachdenken. Dass Amunhotep sie erwarten würde, war nur eine Ausrede gewesen, um aus dieser für sie unangenehmen Situation herauszukommen. Sie brauchte jetzt erst einmal etwas Zeit, um ihre Gedanken zu ordnen.
Frei sein, ging es ihr durch den Kopf. Wie schön wäre das. Seitdem sie in dieser Zeit gelandet war und wie eine Gefangene behandelt wurde, hatte sie davon geträumt, endlich wieder tun zu können, was sie wollte. Es war für sie unerträglich gewesen, sich diesem Tyrannen Senbi unterordnen zu müssen, ohne eine Möglichkeit zu sehen, sich dagegen zu wehren. In all den drei Jahren hatte sie stets nach der Pfeife anderer tanzen müssen Wieder ein freier Mensch zu sein mit allen Rechten ...
... und allen Pflichten!
, meldete sich eine andere Stimme in ihr zu Wort, doch Satra ignorierte sie.
Und wieder meine Haare wachsen lassen dürfen?
Sie seufzte, musste sich allerdings eingestehen, dass sie sich in der Zwischenzeit an ihren kahlen Schädel gewöhnt hatte. Es war besser, als mit der verfilzten, verlausten Mähne herumzulaufen, die sie im thebanischen Gefängnis aufgrund mangelnder Hygiene bekommen hatte. Aber zumindest eine Perücke in der Öffentlichkeit tragen zu dürfen, das würde ihr schon gefallen.
Und wieder schöne Sachen anziehen?
Unwillkürlich glitt ihr Blick an ihrem derb gewebten Leinen hinab.
Nun gut, es müssen ja nicht ausgerechnet Kleider sein, gingen ihre Überlegungen weiter, aber wenn es nicht anders gehen sollte, trage ich auch die.
Du eitle, dumme Frau!
, mischte sich erneut ihre innere Stimme ein.
Ist das alles, woran du denken kannst? Schöne Kleider und eine hübsche Frisur?
Mit einem weiteren tiefen Seufzer ließ sich Satra auf dem Rasen nieder und zog die Beine an den
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