Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wunsch des Re

Der Wunsch des Re

Titel: Der Wunsch des Re Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
Vom Netzwerk:
seine Mitschüler und die drohende Bestrafung vergessen. Nur vor den Furcht einflößenden Soldaten war ihm bang. Sie musterten ihn kritisch, als Meritusir mit ihm an der Hand den Saal der Götter betrat, um dem Jungen die Kapellen zu zeigen, die er nie wieder zu Gesicht bekommen würde, nachdem der Tempel fertiggestellt und geweiht worden wäre. Einzig die Halle des Osiris enthielt sie ihm vor, da sich dort der Zugang zur Grabstätte befand.
    Am Nachmittag erhielt Moses seine Tracht Prügel, wonach ihm noch drei Tage später sein Rücken schmerzte. Auch Meritusir wurde streng getadelt, und ihr war klar, dass Amunhotep nach seiner Rückkehr davon erfahren würde. Moses hingegen war nach diesem Vormittag auf der Baustelle des Tempels nur noch von dem einen Wunsch beseelt – er wollte Steinmetz werden, um beim Bau eines Tempels dabei sein zu können.

FÜNFZEHN
     
     
     
     
     
     
     
    Ungeduldig rutschte Bintanat auf ihrem weichen Sitzkissen umher und schnauzte eine Dienerin an, sie endlich in Ruhe zu lassen, die sich zum wiederholten Male nach ihren Wünschen erkundigt hatte.
    Wo blieb er bloß?
    Selbst Ramses war schon zum Festmahl erschienen und mit ihm die königliche Familie; einzig Amunhotep war noch nicht da. Wie konnte er es nur wagen, nach Seiner Majestät einzutreffen?
    Nervös spielte sie mit dem kleinen Amulett der Bastet, das sie sich heute in der Hoffnung um den Hals gehängt hatte, die katzenköpfige Göttin würde ihr helfen, den Angebeteten zu bezirzen. Ihr waren die Erzählungen ihrer alten Amme wieder eingefallen, die einst in Bubastis geweilt hatte, als die alljährlichen Feierlichkeiten zu Ehren der Göttin stattfanden. Nach ihren Reden hatten sich damals Tausende von Menschen dort versammelt, um sich tagelang dem Rausch der Liebe und des Weins hinzugeben. Sie hatte der damals erst dreizehnjährigen Prinzessin erzählt, dass das die aufregendsten Tage ihres Lebens gewesen waren und sie sich immer daran zurückerinnern würde.
    Bintanat reckte den Hals und sah hinüber zum Eingang, aber der Hohepriester erschien einfach nicht.
    Resigniert seufzte sie und schmollte vor sich hin.
    Warum hatte sie sich so herausgeputzt, wenn er nicht erschien? Sie hatte sich extra für diesen Abend ein sehr fein gewebtes Kleid angezogen, das beinahe durchsichtig war. Ihr war bewusst, dass sie damit die verstohlenen Blicke der Gäste auf sich zog, da es mehr zeigte als verbarg. Warum aber sollte sie ihren Körper verstecken? Sie war eine kemitische Prinzessin und keine aus den nordöstlichen Fremdländern, die sich in dicke Wollgewänder hüllten, um keinem Mann ihre Fraulichkeit zu zeigen. In Kemi gehörte das zur Normalität. Jede Frau, die sich solche Kleider leisten konnte, trug sie. Warum also nicht auch sie?
    »Doch wofür«, murmelte sie verdrießlich vor sich hin, »wenn der Angebetete nicht erscheint.« Sie war mit ihrer Geduld am Ende und beugte sich ihrem Halbbruder zu. »Großer Horus, wo ist denn der Einzige Freund Deiner Majestät?«
    Überrascht wandte sich Ramses ihr zu und musterte sie mit leicht zusammengekniffenen Augen, denn diese Förmlichkeit sah Bintanat überhaupt nicht ähnlich.
    »Er hat sich entschuldigen lassen«, erwiderte er.
    Amunhotep hat es also gewagt, der Einladung des Pharaos nicht nachzukommen, dachte Bintanat ernüchtert, und Ramses scheint das noch nicht einmal zu stören. Sie seufzte innerlich. Das war wieder ein Beweis dafür, wie nah Amunhotep dem Herrn der Beiden Länder stand. Es war zwar nur die Einladung zu einem Festmahl gewesen, dennoch kam sie einem königlichen Befehl gleich. Und durfte ein Sterblicher den Wunsch oder Befehl eines Gottes ignorieren? – Amunhotep durfte es allem Anschein nach!
    Ramses schien Bintanats Gedanken erraten zu haben. »Er kam heute Vormittag zu mir und bat demütigst um die Erlaubnis, den Abend im Haus seiner Eltern verbringen zu dürfen. Seine Mutter ist schwer erkrankt«, fügte er hinzu, obwohl er seiner Schwester keine Erklärung schuldig war.
    »Oh, das tut mir leid«, erwiderte Bintanat, um den Schein zu wahren, und wandte sich wieder ihren Speisen zu.
    Er hat sich also entschuldigt, weil seine Mutter erkrankt ist, dachte sie und stocherte mit den Fingern in ihrem Salat herum. Oder hat er nur einen Grund gesucht, um mir nicht begegnen zu müssen?
    Jeglicher Appetit war ihr vergangen.
    Weicht mir Amunhotep etwa aus, weil er sich tatsächlich in diese Meritusir verliebt hat?
    Ihre Miene verfinsterte sich. Bekümmert warf sie Sethi

Weitere Kostenlose Bücher