Der Wunschtraummann
abgeblieben?
Sobald mir aufgeht, dass ich ihn gar nicht mehr singen höre, reiße ich die Augen auf und sehe ihn vornübergebeugt auf dem Tisch liegen und sich schier ausschütten vor Lachen.
»Du Mistkerl!«, keuche ich.
»Tut mir leid, ich konnte einfach nicht anders«, sagt er und lacht sich fast schief. »Das war ganz großes Kino.«
Und ich kann einfach nicht anders als mitlachen. »Egal, was hast du diese Woche vor?«, frage ich dann, nachdem ich mir die Augen mit einer Papierserviette abgetupft und mir geschworen habe, es ihm irgendwann heimzuzahlen.
»Vermutlich dasselbe wie am Wochenende«, meint er achselzuckend.
»Und das wäre?«, frage ich neugierig.
Er weist auf sein Telefon, das stumm auf dem Tisch liegt. »Zu Hause bleiben und meine Mails checken.«
Fünfundzwanzigstes Kapitel
Um Punkt sechs schalte ich meinen Computer aus und flitze aus dem Büro zur U-Bahn nach Wimbledon, wo heute mein allererster Military-Fitness-Kurs stattfindet. Ich will auf keinen Fall zu spät kommen. Die Anmeldung habe ich bereits online ausgefüllt und habe mich im Büro auf der Damentoilette umgezogen. Ich trage meine neue Sportausrüstung: schwarze Stretch-Leggins mit kleinen Ralleystreifen an der Seite und passender Sportjacke, dazu federnde sauteure Laufschuhe und jede Menge Schweißbänder.
Es ist unglaublich, aber schon allein durch diese professionelle Aufmachung fühle ich mich viel fitter, und mir fällt auf, wie die Leute in der U-Bahn mich aus den Augenwinkeln mustern, als sei ich eine Spitzensportlerin. Als wir schließlich die Putney Bridge überqueren, komme ich mir selbst schon fast so vor. Ich ertappe mich sogar dabei, wie ich missbilligend einen Mitfahrer beäuge, der mir gegenübersitzt, eine große Tüte Malteser-Schokoknusperbällchen futtert und dabei eine Ausgabe der Metro liest. Ich meine, mal ehrlich, manche Leute!
Ich strotze also nur so vor positiver Energie, als ich an meiner Haltestelle aussteige und munter den Weg zum Park entlanghopse, mit den Armen schlenkere und dabei weiße Atemwölkchen auspuste wie eine Dampflok. Himmel, es ist ganz schön kalt, merke ich da und ziehe mir den rosa Wollschal um die Ohren. Aber egal, bald wird mir bestimmt warm und ich hab rosig glühende Wangen vom Training.
Ich muss lächeln. Ob man es glaubt oder nicht, ich freue mich richtig auf meinen Kurs. Ja, mit Seb zusammen zu sein könnte mir vielleicht sogar helfen, ganz neue Seiten an mir zu entdecken, die ich bisher noch nicht kannte. Ich dachte zwar immer, ich könne Sport und körperliche Betätigungen jedweder Art nicht ausstehen, aber vielleicht ist dem gar nicht so. Vielleicht stelle ich mich ja richtig gut an, und nur der Schulsport war schuld. Vielleicht wurde mir da eingeredet, ich sei unsportlich, genauso wie ich immer dachte, ich könne Milchreis nicht leiden. Erst Jahre später, nachdem meine Oma verstorben war und mir ihre Rezeptsammlung vermacht hatte, habe ich herausgefunden, dass Milchreis nicht unbedingt eine lauwarme, mit einer ekelhaften Haut überzogene Pampe sein muss, sondern heiß und cremig und unglaublich köstlich ist.
Ich gehe um die letzte Ecke und sehe den Park im Flutlicht vor mir liegen. Der im Internet geposteten Beschreibung zufolge treffen wir uns am Parkplatz, wo die Kursleiter uns dann einweisen. Ich werde ein bisschen nervös. Himmel, das ist ja richtig aufregend! Ich meine, natürlich liebe ich Seb, aber mal ehrlich, welches Mädel träumt nicht davon, einen Haufen superschnuckliger Fitnesstrainer kennenzulernen. Das viele Testosteron und dann die Tarnklamotten. Ich sollte Fiona mal mitnehmen … ja, genau! Das ist eine großartige Idee! Warum bin ich nicht schon viel früher darauf gekommen? Hier kann sie was für ihre Figur tun und Männer kennenlernen! Vergesst den ganzen Online-Dating-Kram – Military-Fitness sage ich nur …
Also nehme ich mir vor, sie beim nächsten Mal mitzunehmen, und marschiere fröhlich über den Asphalt. Vor mir sehe ich einen olivgrünen Lieferwagen stehen, und drum herum scharen sich Menschen mit bunten Trainingsleibchen. Darunter sind auch etliche muskulöse Kerle in Tarnkleidung, mit Klemmbrett in der Hand, die irgendwelche Anweisungen geben.
»Du kommst zu spät!«
Einer der Typen kläfft laut los, und ich drehe mich um, wen er da wohl anbrüllt.
»Mädel mit dem rosa Schal?«
Seine Stimme klingt wie eine Maschinengewehrsalve. Was für ein Mädel mit rosa Schal? Ich sehe hier niemanden – oooh , Moment – ich trage einen
Weitere Kostenlose Bücher