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Der Wunschtraummann

Der Wunschtraummann

Titel: Der Wunschtraummann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
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kleinen qualmenden Kegel auf dem Tisch entdecke.
    »Nag Champa«, korrigiert er erstaunlich prompt und klar, wenn man bedenkt, dass sein Gedächtnis merklich nachlässt. »Hat mir die nette Schwester Melanie gegeben. Sie meinte, das hilft gegen den Pfeifenrauch«, sagt er augenzwinkernd, steckt sich die Pfeife in den Mund und zündet sie mit einem Streichholz an.
    »Aber Opa, denk an die Hausordnung«, protestiere ich beklommen, doch Fergus bringt mich zum Schweigen, indem er mir einen ordentlichen Schuss Whisky einschenkt. Ich lasse es gut sein und trinke einen großen Schluck.
    »Also dann, Leute.« Mein Opa bittet alle um Aufmerksamkeit, worauf das angeregte Geplapper am Tisch verstummt. Fröhlich die Pfeife schmauchend greift er zum Kartenspiel. »Dann wollen wir mal loslegen.« Und mit schwungvoller Geste macht er sich daran, die Karten auszuteilen.
    Zwei Stunden, eine Flasche Whisky und unzählige knallharte Pokerrunden später habe ich, wie die meisten anderen Spieler, mein ganzes Geld verzockt. Mein Opa dagegen ist auf der Gewinnerstraße. Obwohl nur um Münzgeld gespielt wird, hat er bereits über fünfzig Pfund vor sich liegen und gewinnt jedes Blatt. Zuletzt sind nur noch er und Fergus im Spiel.
    »Tja, dann bin ich wohl raus«, sagt der schließlich und legt sein Blatt aus der Hand. »Gegen Sie habe ich einfach keine Chance.«
    »Blödsinn!«, wehrt mein Opa ab, allerdings mit unübersehbar stolzgeschwellter Brust.
    »Dein Opa sollte das beruflich machen«, meint Fergus und zwinkert mir verschwörerisch zu.
    »Hey, setz ihm bloß keine Flausen in den Kopf«, protestiere ich.
    Worauf mein Opa nur fröhlich vor sich hingluckst und an seiner Pfeife zieht. »Ach, na komm schon, noch ein Spiel«, versucht er Fergus zu überreden.
    Doch Fergus schüttelt nur den Kopf. »Nur zu gerne, aber ich muss leider nach Hause. Morgen gehe ich zu einem Vorsprechen.«
    »Oho, sind Sie Schauspieler?«, fragt Phyllis verzückt, die längst aus dem Spiel ist und seit einer halben Stunde dösend auf dem Sofa sitzt.
    »Leider ja«, gesteht er grinsend.
    »Ich hatte mal einen Verehrer, der war auch Schauspieler. Er spielte auf der Bühne der Variety Hall und war ein wirklich fescher Bursche.«
    »Ja, ja, Phyllis«, fällt mein Opa ihr energisch ins Wort und brummt mir dann zu: »Bei ihren vielen Verehrern ist es kein Wunder, dass von allem was dabei war.«
    Ich muss mir das Lachen verkneifen und stupse ihn mit dem Ellbogen in die Rippen, damit er aufhört.
    »Gehst du auch schon?«, fragt er.
    »Ich habe Fergus versprochen, ihm zu helfen, seinen Text zu lernen«, erkläre ich mit einem kläglichen Lächeln und erwarte eigentlich, dass er ein bisschen brummelt, aber nein, er scheint sich darüber fast zu freuen. »Braves Mädchen«, sagt er und nickt zustimmend, wobei er mir liebevoll das Knie tätschelt.
    »Ich hole schnell unsere Jacken«, sagt Fergus und geht zu dem Schemel vor der Nähmaschine, auf dem sich ein Jackenberg türmt. Er greift danach und hält dann inne. »Arbeiten Sie gerade hieran, Mr Connelly?«, fragt er. »Tess hat mir erzählt, dass Sie Schneider sind.«
    Ich schaue rüber und sehe, wie er die Tasche hochhält, die ich gerade zusammenbastele. Mein Herz verkrampft sich. Es ist fast, als hätte er mein größtes Geheimnis entdeckt.
    »Schneider?«
    Die ausdruckslose Miene meines Opas reißt mich aus meinen Überlegungen. Kurz sieht er aus, als könne er sich an nichts erinnern.
    »In der Savile Row, Opa«, helfe ich seinem Gedächtnis auf die Sprünge. »Fünfzig Jahre hat er da gearbeitet«, führe ich aus, zu seiner und zu Fergus’ Information.
    »Ach ja, stimmt«, meint er und nickt dazu, als fiele es ihm plötzlich wieder ein, »aber das Lob dafür gebührt nicht mir. Die Tasche hat Tess entworfen, und wir arbeiten gemeinsam daran. Sie hat wirklich Talent, finden Sie nicht? Ich sage ihr immer, sie hat ein Händchen dafür, aber sie hört einfach nicht auf mich …«
    »Das ist doch bloß eine kleine Bastelei«, falle ich ihm ins Wort, wobei ich vor Verlegenheit gar nicht weiß, wohin mit mir. Mit einer Umarmung bringe ich meinen Opa schnell zum Schweigen. »Bye, bis bald.«
    »Bye, meine Süße.«
    »Viel Spaß«, ruft Phyllis und winkt uns zum Abschied vom Sofa zu. »Und tut nichts, was ich nicht auch tun würde«, fügt sie augenzwinkernd hinzu.
    So wie sich das anhört, bezweifele ich, dass es etwas gibt, was sie nicht tun würde, und als Fergus’ und meine Blicke sich treffen, erröte ich verlegen.

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