Der Wunschtraummann
bis hinunter in meinen Magen brennt. Wow. Das Zeug ist wirklich stark. Der haut einen ja förmlich aus den Socken. Ein paar davon, und ich bin so hinüber, dass ich nicht mal mehr weiß, was für ein Tag heute ist.
Perfekt .
Ich schenke mir noch einen ordentlichen Schluck ein und spaziere rüber in mein Zimmer. Früher war das hier das Wohnzimmer, aber Fiona hat daraus ein weiteres Schlafzimmer gemacht, als ich eingezogen bin. Was wunderbar funktioniert, weil wir eine große Wohnküche mit schönem Essplatz haben, und ich habe in meinem Zimmer einen kleinen tragbaren Fernseher, sodass ich auf dem Bett liegend fernsehen kann. Und einen wunderschönen großen viktorianischen Kamin habe ich auch, der sogar funktioniert .
Wo wir gerade dabei sind, ich glaube, den zünde ich gleich an. Ein schönes loderndes Feuer muntert mich sicher gleich ein bisschen auf. Also werfe ich schnell ein paar Scheite Feuerholz hinein und mache mich dann daran, etwas Zeitungspapier zusammenzudrehen. Den Trick hat mein Opa mir beigebracht, als ich noch ein kleines Mädchen war, und im Handumdrehen lodert ein munteres Feuer im Kamin. Und wo es schon so schön ist, kann ich ja auch gleich noch eine Kerze anzünden. Aber bei genauerem Hinsehen muss ich feststellen, dass meine Lieblings-Duftkerze vollkommen heruntergebrannt ist.
Verflixt. Das Ding landet in der Mülltonne, und in dem Moment kommt mir eine Idee, die ich jedoch sogleich wieder verwerfe. Nein, das geht nicht. Fiona würde mich umbringen.
Aber sie wird es nie erfahren, flüstert eine betrunkene, rebellische Stimme in meinem Kopf. Du kannst sie ja wieder zurückstellen, ehe sie nach Hause kommt. Du borgst sie dir doch nur kurz aus.
Normalerweise würde ein vernünftiger Mensch, der auch nur einen Funken gesunden Menschenverstands besitzt, niemals auf eine derart gemeingefährliche und hirnrissige Idee kommen. »Die Diptyque« von Fiona auszuleihen ist, als wollte man sich kurz die Kronjuwelen ausborgen. Anders ausgedrückt, das macht man einfach nicht. Sie ist nur dazu da, dekorativ neben der weißen Orchidee und Fionas Smythson-Adressbuch, das sie mal als Geschenk von einer PR -Tante bekommen hat, auf dem kleinen Tischchen im Flur zu stehen.
Aber heute Abend bin ich nicht vernünftig, und mein Verstand feiert seine Überstunden ab. Ich habe ein Glas Champagner und zwei riesengroße Tequila intus, und plötzlich erscheint mir die Idee einfach großartig. Genauso wie sämtliche restlichen Jaffa-Kekse aufzuessen, was mir plötzlich wie ein genialer Geistesblitz vorkommt. Also hopse ich quietschvergnügt in die Küche und kehre gleich darauf mit meinem Diebesgut zurück. Fröhlich einen Keks mampfend zünde ich mit großer Geste die Diptyque an. So. Perfekt.
Zufrieden atme ich den teuren Feigenduft ein und trete einen Schritt vom Kamin zurück. Jetzt, wo das Feuer lodert und die Kerze brennt, macht sich ein wohligwarmes Gefühl in mir breit. Es sieht alles so hübsch aus. So gemütlich. So romantisch.
Ich wünschte, Seb wäre hier.
Bumm. Es trifft mich wieder wie ein Schlag. Ein paar Minuten hatte ich nicht an ihn gedacht, doch dann kommt die Erinnerung zurück wie eine Welle und nimmt mir fast den Atem. Plötzlich habe ich Tränen in den Augen, also versuche ich mich rasch abzulenken, indem ich mir die Fernbedienung schnappe und den Fernseher anknipse. Ich werde jetzt nicht weinen, sage ich mir streng. Ich werde nicht weinen.
Ich zwinge mich, mich auf das Fernsehprogramm zu konzentrieren. Es läuft mal wieder das übliche Silvesterprogramm: Eine Reporterin steht in der Eiseskälte in einem silbernen Kleid vor dem Millennium Wheel und gibt sich alle Mühe, ein fröhliches Gesicht zu machen … klick … ein alter Schwarzweißfilm … klick … Jools Hollands Silvestershow … klick … ein weiterer Reporter, nur diesmal auf der anderen Seite des Atlantiks, »obwohl es bei uns noch ein paar Stunden hin sind, bis die große Kugel fällt, stehen wir hier in New York schon in den Startlöchern …«
Auf dem Fußende meines Bettes hockend, schaue ich zu, wie die Kameras die Lichter auf dem Times Square einfangen und die feierwütige Meute wie entfesselt losjubelt, um dann anschließend wieder das grinsende Reporterpärchen ins Visier zu nehmen.
»… und hier haben wir Tiffany und Brandon, die heute Abend heiraten wollen, und zwar live bei uns am Times Square!«
O Gott, nein, bitte nicht. Hektisch schalte ich um. Und da bin ich wieder bei der Reporterin gelandet, die sich am
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