Der Wunschtraummann
aufhören, mich deswegen selbst zu zerfleischen. Kann sein, dass ich was wirklich Blödes angestellt habe, und ich erwarte auch nicht, dass er mir verzeiht, ich will bloß, dass er das weiß. Er muss es erfahren.
Mein Blick geht nach oben zu seiner Wohnung. Ich hatte eigentlich gehofft, ihm alles erklären zu können, wenn er ins Büro kommt, doch diese Woche war ein anderer Kurier da, und als ich ihn nach Fergus fragte, meinte er nur, er sei neu und wisse von nichts; er solle einfach nur die Lieferungen bringen und abholen. Also habe ich Fergus eine Mail geschickt und auf eine Antwort gewartet. Nichts. Auf meine SMS hat er auch nicht reagiert. Und ist auch nicht rangegangen, als ich angerufen habe.
Weshalb ich jetzt vor seinem Haus stehe und versuche, all meinen Mut zusammenzunehmen, um an der Tür zu klingeln. Das war zumindest mein Plan. Aber jetzt, wo ich hier so stehe, bin ich viel nervöser als gedacht. Ich meine, ganz offensichtlich will er mich nicht sehen und auch nicht mit mir reden, oder? Er geht mir aus dem Weg und ignoriert mich. Woraus sich die Frage ergibt: Was zum Geier mache ich hier eigentlich? Wahrscheinlich sagt er mir eh, ich soll mich zum Teufel scheren.
Ich spüre förmlich, wie mein Mumm sich langsam in Luft auflöst. Das war eine ganz bescheuerte Idee. Mal wieder, denke ich und könnte mich selbst vors Schienbein treten. Was blöde Ideen angeht, macht mir so schnell keiner was vor, was? Mutlos drehe ich mich um und will gerade gehen, aber nach ein paar Schritten habe ich plötzlich Fergus’ Stimme im Kopf: Es ist nie zu spät, einen Fehler wiedergutzumachen.
Ich zögere. Was habe ich schon zu verlieren? Entschlossen drehe ich mich um, marschiere zur Haustür und läute und mache mich schon auf das Schlimmste gefasst. Ich werde ihm einfach alles sagen. Selbst wenn er mir die Tür vor der Nase zuschlägt. Ich muss es einfach versuchen.
Nur macht leider niemand auf. Ich warte eine Weile, dann kritzele ich einen Zettel mit der Bitte, sich bei mir zu melden. Den stecke ich in den Briefkasten. Hoffentlich hat er recht und es ist wirklich noch nicht zu spät.
Bis Montagmorgen schließlich habe ich gründlich Ordnung geschaffen, emotional und praktisch. Mein Kopf ist aufgeräumter, mein Zimmer ist sehr viel aufgeräumter, und ich bin schon wesentlich optimistischer gestimmt. Und das ist gut so, denn ich muss irgendwie in Feierlaune kommen.
Sir Richard ist noch in Indien, und seine Pensionierungsfeier steht kurz bevor, weshalb ich die restliche Woche dazu nutze, mich zu vergewissern, dass alles wie geplant läuft. Nach dem Zwischenfall mit dem Visum habe ich mein Notizzettelsystem verworfen und führe stattdessen nun eine Liste, auf der ich alles abhake, was erledigt ist. Ballons? Häkchen. »Alles Gute zur Pensionierung, Sir Richard«-Banner? Häkchen. Caterer, der biologisch und nachhaltig angebautes Essen serviert? Häkchen. Alkohol? Na ja, das ist nun wirklich nicht schwer. Häkchen.
Die gesamte Belegschaft ist schon ganz aus dem Häuschen. Obwohl wir alle traurig sind, dass unser heißgeliebter Chef in Rente geht, und wir noch immer nicht wissen, wer seinen Platz einnehmen wird, ist es doch eine schöne Gelegenheit für die Mädels, die neuen Glitzerkleidchen auszuführen. Die Jungs können zeigen, was sie tanztechnisch draufhaben und alle sich nach Herzenslust auf Kosten der Firma betrinken. Und ich? Ich will einfach nur, dass alles glattläuft.
Als ich am Freitagabend meinen Rechner ausschalte, habe ich sämtliche Punkte auf meiner Liste abgehakt, und zwar nicht nur einmal, sondern doppelt. Diesmal gehe ich kein Risiko ein. Sir Richard kommt heute Abend zurück – er hat seinen Flug umgebucht, um noch an einigen wichtigen Unterredungen in Delhi teilnehmen zu können –, und sein Chauffeur holt ihn in Heathrow ab und bringt ihn schnurstracks zur Party. Für Fehler ist da kein Platz; alles muss wie am Schnürchen laufen.
Und das wird es auch, versuche ich mich zu beruhigen, und schalte das Radio ein, um mich in die richtige Stimmung zu bringen. Ich bin in meinem Zimmer und mache mich für die Party zurecht. Ich habe Fiona eingeladen mitzukommen, weil sie so gerne auf Partys geht und ich dann nicht allein hingehen muss. Na ja, eigentlich brauchte ich sie nicht zu fragen, sie hat sich freiwillig bereit erklärt mitzukommen, weil sie meinte, sie müsse dringend mit mir reden, und das sei »eine gute Gelegenheit«.
Beim Gedanken daran, wie sie mir das vor ein paar Tagen gesagt hat, kurz
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