Der Wunschtraummann
der soll Mummys Schönheitschirurgen anrufen!«
»Komm her, lass mal sehen«, sage ich und versuche, sie ein wenig zu beruhigen. »Ich hab einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht.«
Aber sie ist völlig hysterisch, und im ersten Augenblick glaube ich fast, sie überhört mich und kreischt einfach weiter, doch dann nimmt sie gehorsam die Hand aus dem Gesicht.
Da ist nichts. Nicht mal ein Kratzer.
»Sie hat wohl nur ganz leicht zugeschnappt«, stelle ich nüchtern fest.
Mit vom Weinen rotfleckigem Gesicht schaut sie mich wirr an. »Was? Kein Blut?«
»Nein, kein Blut.« Ich schüttele den Kopf. »Nicht der kleinste Kratzer zu sehen.«
Erleichterung macht sich breit, doch dann kreischt sie plötzlich:
»Dieser Hund ist gemeingefährlich! Der gehört sofort eingeschläfert!«
Fiona wird leichenblass und hält Tallulah entsetzt die Ohren zu. Worauf sich Pippas botoxbetäubte Stirn kaum merklich in Falten legt. »Was ist das denn?«, fragt sie spitz mit einem Blick auf Fionas Finger.
Und da geht es mir auf: Sie hat den Ring gesehen.
»Ach das«, murmelt Fiona errötend, »das ist mein Verlobungsring.«
Für den Bruchteil einer Sekunde verschlägt es Pippa den Atem, aber sie erholt sich schnell wieder von ihrem Schreck. »Lass mal sehen«, schnaubt sie und umklammert mit spitzen Fingern Fionas Hand. »Der kann doch unmöglich echt sein.« Mit der freien Hand kramt sie in ihrer Tasche herum und zieht schließlich eine winzige Lupe heraus, wie man sie für Edelsteine verwendet. Sie sieht aus wie ein affektierter blonder Sherlock Holmes, wie sie so angestrengt den Ring begutachtet. Ihr Gesicht wird puterrot. »Aber der kann doch nicht … echt sein«, japst sie ungläubig.
Fiona und ich schauen uns an, und sie errötet.
Pippa lässt Fionas Finger los und richtet sich wieder auf. »Glückwunsch«, sagt sie steif. »Und wer ist der Glückliche?«
»Du kennst ihn nicht«, sagt Fiona, und ihr Gesicht glüht plötzlich.
»Er heißt Sir Richard«, werfe ich ein.
»Na ja, aber ich nenne ihn Ricky«, korrigiert Fiona mich und wird noch ein bisschen röter.
Ich kann förmlich Pippas Gedanken lesen, und da geht es nicht darum, ob er nun Richard heißt oder Ricky. Unter ihrer teuren Bali-Bräune ist sie so weiß wie ein Gespenst. Denn eins habe ich über die ach so feine und hochnäsige Pippa gelernt: Sie mag zwar eine reiche Erbin sein, aber ich habe ihren Vater gegooglet, und wie es aussieht, hat er sein Vermögen mit Bingo-Spielhallen verdient – nicht unbedingt die fürnehme Abstammung, die sie die anderen gerne glauben machen will.
»Und das heißt, Fiona wird bald eine Lady sein«, sage ich und muss mir das hämische Grinsen verkneifen. Pippa kann sich mit ihrem Geld sicher eine Menge Fendi-Taschen und Freundinnen kaufen, doch eins bekommt sie dafür nicht, und das wird Fiona sehr bald haben: einen Adelstitel.
Pippa sieht aus, als stünde sie kurz vor dem Zusammenbruch. Sie muss sich am Waschbecken abstützen, um nicht umzukippen. Eine der Blondinen eilt ihr zu Hilfe. »Pips, Süße, alles okay?«
»Mir ist nicht gut. Ich glaube, ich brauche eine Tetanusspritze«, jammert sie.
Das ist so lächerlich, dass sie mir fast schon leidtut. Vor allem bei solchen Freunden, denke ich, als ich sehe, wie die Mädels um sie herumschwirren.
»Ist bestimmt besser, kein Risiko einzugehen«, stimme ich ihr zu.
Sie funkelt mich böse an, und ich lächele zuckersüß.
»Und wenn du nichts dagegen hast, dann behalte ich Tallulah«, sagt Fiona, die plötzlich mutig geworden ist.
Stolz schaue ich sie an. Endlich ist es so weit. Sie lässt sich nicht mehr alles gefallen, und ich sehe es an ihrem Gesicht, dass sich irgendwas verändert hat. Sie will nicht mehr eins von diesen Hühnern sein, sie ist glücklich damit, einfach sie selbst zu sein.
»Ist mir doch egal. Mach, was du willst mit der blöden Töle«, knurrt Pippa, »solange du sie mir vom Hals hältst.« Und damit rauscht sie, gestützt von den übrigen Blondinen, zur Tür hinaus.
Und dann sind Fiona und ich plötzlich allein. Zunächst sagt keiner von uns ein Wort. Wir sind beide ganz verdattert und haben noch gar nicht richtig verstanden, was da gerade passiert ist. Ratlos schauen wir uns nur an. Fiona verliert als Erste die Fassung. Ihre Mundwinkel zucken. Und danach können wir beide nicht mehr an uns halten. Laut schnaubend prusten wir los, biegen uns vor Lachen, klammern uns an den Handtrockner, und die Tränen laufen uns nur so über das Gesicht. Irgendwie habe ich das
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