Der Wunschtraummann
eine klobige, dicke Sportuhr, das Neuste vom Neuen, ein absolutes Spitzenmodell, da konnte ich ja nicht gut widersprechen.) Wobei ich hätte schwören können, dass er ein ziemlich rotes Gesicht hatte, fast als sei er gerannt, was er allerdings beharrlich leugnete und behauptete, er sei den ganzen Weg gemütlich gegangen, und das komme nur von dem Wein, den wir vorher getrunken hatten.
Aber das war eigentlich nichts Ungewöhnliches. Seb und ich zankten uns ständig wegen der richtigen Richtung. Ganz egal, wo wir auch hingingen, immer waren wir uns uneinig, und oft entwickelte sich das Ganze zu einem ausgewachsenen Streit, bei dem er mir irgendwann die Karte aus der Hand riss und erklärte, ich hätte uns »in die Irre geführt«. Eigentlich ziemlich unfair, wie ich finde. Ich meine, ich gehöre nun mal nicht zu den Menschen mit eingebautem GPS , finde mich jedoch in jedem H&M zurecht, selbst im Schlussverkauf , und glauben Sie mir, das will schon was heißen.
Schließlich habe ich ihm ein Navi zum Geburtstag gekauft. Genial. Problem gelöst! Nur leider half das auch nicht, weil er auch mit dem ständig im Clinch lag. Dabei spricht Stephen Fry die Richtungsangaben. Ich meine, wer bitte legt sich mit Stephen Fry an, frage ich Sie?
Jetzt jedoch lasse ich mich brav wie ein Lämmchen von ihm führen, und so kommen wir ohne Streitereien zu seiner Wohnung. Kein einziges unfreundliches Wort fällt (auch wenn ich immer noch der Überzeugung bin, dass mein Weg kürzer ist), und bei ihm angekommen, tippt er an der Tür den Sicherheitscode ein, und wir betreten das mit Teppichboden ausgelegte Foyer. Seb wohnt in einem dieser hochpreisigen Wohnblocks mit Portier, auf Hochglanz polierten Messingschildern und einem Lift mit Schiebegittertür, der uns im Handumdrehen hinauf zu seiner Wohnung im zweiten Stock befördert. Es ist eine ganz andere Welt als die Arminta Mansions mit ihren tippexverschmierten Türklingeln und dem im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubenden Aufstieg durchs Treppenhaus.
»Da wären wir«, sagt Seb, als wir aus dem Aufzug steigen und durch den Flur zu seiner Wohnung gehen. Er steckt den Schlüssel ins Schloss und drückt die Tür auf. »Willkommen in meiner bescheidenen Hütte.«
Das ist mal wieder typisch Seb. Glauben Sie mir, seine Wohnung ist mitnichten eine Hütte, und sie hat überhaupt nichts Bescheidenes. Sie ist doppelt so groß wie Fionas und meine Bleibe und ganz offen gehalten, und sie hat wunderschöne große Panoramafenster und polierte Parkettböden. Sie erinnert mich immer an ein New Yorker Apartment – auch wenn ich noch nie ein New Yorker Apartment von innen gesehen habe, aber Sie wissen sicher, was ich meine. Die Farben sind alle in gedämpften Grau- und Weißtönen gehalten, mit coolen abstrakten Gemälden an den Wänden, und er hat ein riesengroßes graues Sofa, auf dem sicher gut und gerne zwanzig Leute Platz finden würden, und einen Couchtisch aus Glas mit drei Beinen von irgendeinem Designer, dessen Namen er mir mal genannt hat und der mir dann prompt entfallen ist.
»Die Wohnung ist der Wahnsinn«, sage ich, während ich mich auch diesmal wieder schwer beeindruckt umschaue.
»Danke«, sagt er lächelnd, »aber das Lob gebührt nicht mir allein.«
»Nein?« Ich reiße mich vom Anblick zweier ausgefallener moderner Lampen los, die ich mit offenem Mund angestarrt habe, und drehe mich zu ihm um.
Er schüttelt den Kopf. »Nein, als ich hier eingezogen bin, habe ich eine Innenarchitektin beauftragt, mir alles einzurichten. Sie hat die Möbel ausgesucht und sogar die Bilder«, erklärt er. »Ich hatte zu viel zu tun und keine Zeit für so was.«
»Ach …« Bisher hatte er mir gar nicht erzählt, dass er die Wohnung nicht selbst eingerichtet hat. Ich drehe mich abermals um und lasse den Blick schweifen, doch nun bin ich nicht mehr ganz so sehr beeindruckt, sondern eher ein bisschen enttäuscht. »Wie schade«, sage ich. »Ich dachte immer, das Tolle daran, endlich eine eigene Wohnung zu haben, sei es, im Baumarkt kleine Farbdosen zum Testen zu kaufen und die Wände mit einem Patchwork ausgefallener, leuchtend bunter Farben zu streichen, um dann zu entscheiden, welche einem am besten gefällt.« Ich wende mich zu ihm um und sehe ihn an, doch statt mir zuzustimmen, schaut er mich bloß an, als verstünde er gar nicht, was ich da rede.
»Ehrlich?« Verdutzt runzelt er die Stirn. »Wow, da bin ich ganz anders. Lieber lasse ich mir von einem Profi die Farben
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