Der Wunschtraummann
zerknittert, aber davon abgesehen so gut wie neu.
Siebzehntes Kapitel
Ein paar Minuten später fahren wir im Aufzug in den dritten Stock. Mit einem Ping öffnen sich die Türen, und wir hasten den Korridor entlang, als Sir Richard sich plötzlich mit einer Hand vor die Stirn schlägt. »Himmel auch, ich hab ganz vergessen, Ihnen zu sagen, worum es bei der Besprechung geht.«
Bei dem ganzen Durcheinander war mir das auch völlig entfallen, aber wo er mich jetzt wieder daran erinnert, wird mir ganz schlecht vor Aufregung.
»Keine Sorge«, sagt er, als er mein Gesicht sieht. »Es wird alles ganz wunderbar, folgen Sie mir einfach unauffällig, ich mache das schon.« Und damit öffnet er schwungvoll die Tür zum Konferenzraum und lässt mich eintreten. »Ah, guten Morgen zusammen, wie schön, dass Sie alle gekommen sind«, und dann beginnt er ohne weitere Umschweife wie ein wahrer Profi Hände zu schütteln, kleine Witze zu machen und mit jedem der Anwesenden ein paar Worte zu wechseln.
Wir nehmen unsere Plätze ein, Sir Richard am Kopfende des Tischs, und ich – ach du Schande … mir rutscht das Herz in die Hose, als ich sehe, dass der einzige freie Platz der links neben Wendy, der Hexe, ist. Das ist schon mehr als nur Pech, das ist eine regelrechte Pechsträhne.
Geflissentlich ihre bösen Blicke übersehend setze ich mich und hole Notizblock und Bleistift heraus. Ich kann regelrecht spüren, wie sie mich mit Blicken durchbohrt, während sie versucht, über meine Schulter zu spähen und zu sehen, was ich aufschreibe. Ich bin schon fast versucht, eine Hexe auf einem Besenstiel zu malen. Aber natürlich bin ich für so was viel zu erwachsen. Leider. Stattdessen notiere ich in dicken Großbuchstaben brav PROTOKOLL und unterstreiche es doppelt.
Okay, so weit, so gut.
Eine halbe Stunde später habe ich Ort und Zeit des Geschehens aufgeschrieben und fertige gerade eine Anwesenheitsliste an, wie mir vom Buch geraten, und nun frage ich mich, welche Unterpunkte ich notieren soll.
»Die nächste Grafik zeigt die kürzlich erstellte Analyse effektiver Markenbildungsstrategien«, schwadroniert Kelvin aus dem Marketing, der vorne eine PowerPoint-Präsentation hält. Das Ganze besteht aus einer Unzahl identisch aussehender Dias mit Kurvenbildern und Kreisdiagrammen, aus denen ich nicht schlau werde.
Verstohlen lasse ich den Blick über die versammelte Runde schweifen, und dabei fällt mir ein Rat aus Protokolle ganz einfach! ein: »Vermeiden Sie persönliche oder verletzende Bemerkungen.«
Also sollte ich wohl eher nicht schreiben:
Wendy hat eine ganze Schachtel Schokokekse verdrückt und macht sich nun über die zweite her.
Adam, einer der Vorstandskollegen, hat den Hosenstall aufstehen.
John aus der Marketingabteilung bohrt in der Nase.
Angewidert schaue ich zu, wie er gründlich in seinem Riechorgan herumstochert und dann seinen Grabungsfund auf der Fingerspitze inspiziert. Er hält kurz inne … o Gott, er wird doch nicht etwa …
… und isst den Popel.
Schnell gucke ich weg und starre wieder Kelvin an, versuche angestrengt, mich auf das zu konzentrieren, was er sagt, aber meine Gedanken sind wie ein Drachen im Wind. Ganz gleich, wie sehr ich mich auch bemühe, ihn an den Konferenztisch zu binden, er steigt immer weiter und schwebt davon – weit weg von Tortendiagrammen und Excel-Tabellen – hin zu Pailletten und einer Idee für eine neue, kleine Clutch-Bag. Ich liebe die kleine Handtasche, die ich momentan habe, aber die, die mir vorschwebt, wäre ideal zum Ausgehen, gerade groß genug für Lipgloss, Schlüssel und Handy. Aus diesem traumhaften Samtband, das ich noch habe, könnte ich eine kleine Trageschlaufe machen. Es ist in einem dunklen Pflaumenlila, und man könnte sich die Schlaufe über das Handgelenk streifen …
Und was, wenn ich die ganze Tasche mit Pfauenfedern besetze? Die sind überall billig zu haben, und die strahlend grünen und blauen Federn zu dem dunkellila Samtband … Mensch, das müsste umwerfend aussehen …
»Danke, Kelvin, ganz faszinierende Fakten«, ruft Wendy begeistert. »Sind wir nicht alle dieser Meinung?«
Jäh aus meinen Tagträumen gerissen sehe ich, wie sie auf meinen Notizblock starrt, und da erst merke ich, dass ich die ganze Zeit herumgekritzelt habe. Statt mir Notizen zu machen, habe ich geistesabwesend Entwürfe für meine neue Handtasche aufgemalt, und nun sind die Seiten voller Skizzen und Kritzeleien.
Mist. Schnell blättere ich um und versuche, mich wieder auf
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