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Der Wunschtraummann

Der Wunschtraummann

Titel: Der Wunschtraummann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
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Besprechung« notieren (also, das ist ja wirklich einfach), eine »Anwesenheitsliste« führen (ja, bekomme ich auch hin) und die »Tagesordnungspunkte« auflisten (da wird es schon schwieriger. Was heißt das jetzt genau ?) und schließlich »Entscheidungen und Ergebnisse« notieren (was in der Theorie wunderbar klingt, aber um ganz ehrlich zu sein, gibt es eigentlich nie irgendwelche greifbaren Entscheidungen; man sitzt drei Stunden lang um den Mahagoni-Konferenztisch herum und labert verschwurbelt über Berichte und Strategien, trinkt Kaffee und futtert jede Menge von diesen »superleckeren Schokokeksen«, die Kym immer eigens bei Marks & Spencer besorgen muss).
    Und dann natürlich die richtig dicke Keule. »Protokoll schreiben und an sämtliche Teilnehmer verteilen« (und das ist dann der Moment, an dem ich in heillose Panik ausbreche).
    »Wissen Sie, ich habe das Protokoll der letzten Besprechung gar nicht bekommen«, meint sie pointiert.
    »Ach, nicht?«, heuchele ich mit gespielter Unschuldsmiene. »Wie seltsam, dann muss es wohl in der Hauspost verloren gegangen sein oder so.« Wobei »oder so« heißt, dass ich sie absichtlich nicht mit auf die Empfängerliste gesetzt hatte. Es ist so schon schwer genug, auch ohne dass sie jeden Satz auseinandernimmt.
    »Wären Sie so nett und schicken es mir noch mal zu?« Sie zieht eine der dünnen aufgemalten Augenbrauen hoch. Allem Anschein nach hat sie sich aus irgendwelchen unerfindlichen und äußerst bizarren Gründen die echten Augenbrauen ausgezupft und sich stattdessen zwei strenge schwarze Bögen auf die Stirn gemalt. »Je eher, desto lieber. Wenn es Ihnen nicht allzu viel ausmacht.« Wieder knipst sie ihr falsches Lächeln an.
    »Ähm … ja, natürlich«, entgegne ich und verschränke die Finger hinter dem Rücken. Ach du Schande, jetzt muss ich mir eine neue Ausrede einfallen lassen. »Also dann, ich muss mich beeilen«, sage ich und mache einen großen Bogen um sie. »Will ja nicht zu spät zu der Besprechung kommen!«
    Und damit stürze ich zur Tür, flüchte nach draußen und eile zurück ins Büro. Ich habe jetzt ohnehin keine Zeit, mich darum zu kümmern, Wendy ihr Protokoll zuzuschicken, denn ich muss zu Sir Richard. Normalerweise weist er mich immer kurz ein, ehe wir zu einer Besprechung gehen, da er weiß, dass das ganze Prozedere für mich – wie sagt er immer so schön? – ach ja, richtig: eine Herausforderung ist. Ich selbst würde das wohl nicht so sagen, aber was ich sagen würde, das kann man hier nicht abdrucken.
    Auf dem Weg komme ich an der Kaffeeküche vorbei, wo ich noch schnell seinen Morgenkaffee hole – schwarz, drei Stück Zucker –, dann gehe ich zu ihm ins Büro. Sonst steht die Tür immer sperrangelweit offen – das gehört zu seiner »barrierefreien Unternehmensphilosophie« –, aber heute ist sie ausnahmsweise fest verschlossen. Ich klopfe. Nichts rührt sich. Verdattert warte ich einen Moment, dann balanciere ich den Kaffee in der einen Hand und drehe mit der anderen den Türknauf.
    Im Büro ist es dunkel, die Jalousien sind heruntergelassen, und als ich eintrete, ist der Raum allem Anschein nach leer. Dann höre ich etwas. Ein leises Rasseln. Was um alles auf der Welt ist das? Mit einem leichten Beben drehe ich mich um und versuche krampfhaft, in der Dunkelheit irgendetwas zu erkennen, aber es ist schwierig. Und ich weiß nicht mal genau, wo der Lichtschalter ist. Ach du lieber Himmel, da war schon wieder dieses Geräusch! Was zum Teufel ist das? Vielleicht war über Nacht ein Tier hier drin eingesperrt, eine Streunerkatze vielleicht oder womöglich ein Fuchs! Urplötzlich muss ich an all die schrecklichen Schlagzeilen denken, über Menschen, die von wilden Bestien zerfleischt wurden … nein, sei nicht albern. Das ist bloß Panikmache. Füchse sind ganz entzückende Tiere.
    Irgendwo raschelt es laut.
    Dreck.
    Schnell setze ich den Kaffee auf dem Schreibtisch ab und ziehe hektisch die Jalousie hoch.
    Harsches winterliches Sonnenlicht strömt herein und flutet das ganze Büro, und hinter mir höre ich ein lautes Stottern. »Was zum Teufel …?«
    Ich wirbele auf dem Absatz herum und sehe eine Gestalt unter einer alten Decke auf dem Sofa liegen.
    »Sir Richard!«, japse ich entsetzt.
    Blind tastet er nach seiner Brille auf dem Couchtisch und setzt sie auf die Nase. »Ach Tess, Sie sind es …« Er räuspert sich vernehmlich, schlägt dann rasch die Decke zurück und setzt sich auf. Wobei ich sehen kann, dass er im Anzug

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