Der Wunschtraummann
schlägt sie die Zeitschrift auf, und ich erhasche einen Blick auf einen Bikini-Sonderteil.
Im ersten Moment bin ich in Versuchung, aber ich bleibe standhaft.
»Nein danke«, sage ich, wobei ich mir fast wie eine Heilige vorkomme, und blättere um.
Fragend schaut sie mich an, dann zuckt sie die Achseln. »Okay, wie du willst.«
Und dann verstummen wir beide und lesen, doch schon nach kurzer Zeit lenkt Fiona mich ab, als sie geräuschvoll nach Luft schnappt.
»Ach du lieber Himmel, das musst du dir ansehen!«, ruft sie, und ich schaue auf. »Upps, entschuldige, ich hatte ganz vergessen, dass du dich nicht mehr für Promi-Klatsch interessierst«, sagt sie und legt einen Finger auf die Lippen, um sich selbst zum Schweigen zu ermahnen.
»Schon okay«, sage ich und wende mich wieder meinem Buch zu. Ich höre, wie Fiona umblättert, und dann …
»Unfassbar!«
Mein Kopf fährt hoch.
»Ach, nichts«, sagt sie achselzuckend und schüttelt den Kopf.
Doch nun ist meine Neugier geweckt. Was schaut sie sich da bloß an? Jennifer Aniston im Minikleid bei einer Premiere? Oben-ohne-Fotos von Peter André? Ein betrunkener Promi, der aus dem Taxi fällt?
Wobei es mir natürlich eigentlich egal ist, ich meine nur.
Energisch biege ich den Buchrücken zurecht und starre auf die Seite. Also, wo war ich gerade? Ich suche den Absatz und lese weiter. Aber irgendwie fällt es mir schwer, mich zu konzentrieren. Die Worte verschwimmen mir vor den Augen, und ich lese denselben Satz wieder und immer wieder …
»Mmmm, der ist so ein Schnuckelchen«, murmelt Fiona.
Okay, das reicht. Sie hat mich weichgeklopft. Tut mir leid, Obama. Du magst der mächtigste Mann der Welt sein, aber ich kann den Verlockungen von Klatsch und Tratsch einfach nicht widerstehen. Verstohlen recke ich den Hals und versuche, einen Blick auf Fionas Zeitschrift zu erhaschen.
Oooh, sieh an, eine doppelseitige Homestory von diesem gutaussehenden Schauspieler aus Grey’s Anatomy!
»Ist das ein gutes Buch?«
Entsetzt reiße ich den Kopf hoch und breche mir dabei fast den Hals, nur um zu sehen, wie Fiona mich mit hochgezogenen Augenbrauen anschaut.
»Ähm, ja … richtig, richtig gut«, meine ich und nicke heftig. »Seb sagt, es hat sein ganzes Leben verändert.«
»Sehr weit bist du aber noch nicht gekommen«, entgegnet sie stirnrunzelnd, und da erst geht mir auf, dass ich gerade mal auf der zweiten Seite bin.
Der zweiten Seite?
Soll heißen, ich habe erst zwei Seiten gelesen?
Verdattert starre ich das Buch an. Mir kommt es vor, als läse ich schon seit Tagen nichts anderes. »Na ja … ähm … man braucht halt eine Weile, um alles zu verstehen, weißt du«, erkläre ich rasch, »man muss sich Zeit lassen und … ähm … über seine Ansichten bezüglich des Lebens und … öhm … so weiter … gründlich nachdenken.«
»Und was sind seine Ansichten bezüglich des Lebens?«
»Äh, also, da bin ich noch nicht.«
»Hmm.« Schweigend schaut sie mich eine Weile an, als wollte sie etwas sagen, wird dann aber vom Ping des E-Mail-Eingangs auf ihrem BlackBerry abgelenkt. »Ooh, schau mal, ich habe ein paar neue Seelenverwandte geschickt bekommen«, zwitschert sie mit einem Blick auf die Anzeige. »Ich bin jetzt bei einer neuen Partnerbörse, Sexy Seelenverwandte«, erklärt sie, als sie mein verständnisloses Gesicht sieht.
»Ach ja?«, frage ich, heilfroh, von meinem Obama-Buch ablenken zu können.
»Jawohl«, meint sie. »Na ja, nachdem das mit Heinrich VIII . nicht geklappt hat, dachte ich, vielleicht sollte ich das Netz ein bisschen weiter auswerfen – sind ja noch genug Fische im Meer und so«, beendet sie den Satz resolut.
Das mag ich so an Fiona. Sie fällt auf die Nase, aber sie steht immer wieder auf. Ich weiß, dass ihr das mit Heinrich VIII . zugesetzt hat, aber sie lässt es sich nicht anmerken.
»Und wer sind deine Seelenverwandten?«, frage ich neugierig.
»Warte mal, es lädt gerade noch …« Angestrengt schaut sie auf das Display ihres BlackBerrys. »Ach herrje«, meint sie stirnrunzelnd.
»Was ist denn los?«
»Keiner davon ist mein Typ«, sagt sie und scrollt weiter nach unten. »Und mindestens einer braucht dringend eine Typberatung.« Sie stiert durchdringend auf das Display und schnalzt mit der Zunge. »Was um alles auf der Welt hat der denn an?«
»Wer? Zeig mal!«
Aber Fiona hört mir gar nicht zu, sie schreibt schon eine Antwort.
»Ich habe gerade dein Profil zugeschickt bekommen, glaube allerdings kaum, dass ich deine Sexy
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