Der Wunschtraummann
Sachen?«, fragt eine der Blondinen. Ich glaube, es ist Grizzle, es könnte jedoch auch Lolly sein – ehrlich gesagt ist es nicht leicht, sie auseinanderzuhalten.
»Ach, die stehen da drüben auf dem …«
Doch noch ehe Fiona den Satz beenden kann, wird sie rüde beiseitegeschubst, und die Blondinenhorde drängelt und rempelt und stürzt sich auf die Gratisproben, als wäre es der erste Schlussverkaufstag bei Harrod’s. »Ooh, schau mal, faltenmilderndes Serum … Ich will das Perfecting Fluid … gib mir mal die schützende Komplexcreme … nein, die will ich, du kannst die Mineralhaarmaske haben …«
Während die Schlacht am Beauty-Büfett tobt, schaut Fiona nur bestürzt zu.
»Ich nehme gern ein Glas«, sage ich, weil ich sie nicht im Regen stehen lassen will.
Ihre Hand zittert, als sie mir den Wein einschenkt, und da merke ich erst, wie nervös sie ist. Unvermittelt muss ich an unsere gemeinsame Schulzeit denken. So nervös war Fiona sonst nur, wenn Susan Fletcher in der Nähe war, das beliebteste Mädchen der ganzen Klasse. Eigentlich war sie eine ziemlich blöde Kuh, aber Fiona wollte unbedingt mit ihr befreundet sein. Es kam mir fast vor, als hoffte sie, etwas von ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Beliebtheit würden auf sie abfärben; als könnte sie dadurch, dass dieses Mädchen sie akzeptierte und sich mit ihr abgab, zu der Clique gehören und so sein wie sie. Was natürlich im Umkehrschluss bedeutete, nicht mehr sie selbst sein zu müssen: ein ziemlich schüchternes Mädchen mit krisseligen Haaren, Babyspeck und einer nervigen, fordernden Mutter.
»Möchte jemand vielleicht etwas zu knabbern?« Und damit nimmt Fiona das Schälchen mit den Wasabi-Erbsen und versucht noch einmal ihr Glück, aber es ist, als sei sie unsichtbar. Die Mädels sind wie im Blutrausch. Mein Blick geht zu Pippa, die ihre Birkin achtlos auf einem der Küchenstühle abgestellt und nun beide Arme voller Gesichtscremes hat. Entmutigt stellt Fiona das Schälchen wieder auf den Tisch.
»Mmm, der Wein ist köstlich«, sage ich und lächele ihr aufmunternd zu.
»Ach … gut«, entgegnet sie dankbar, aber sie hat sich so viel Mühe gegeben, und ich merke ihr die Enttäuschung an. So hatte sie sich den Abend nicht vorgestellt. Wütend gucke ich Pippa und Konsorten an und will schon gerade den Mund aufmachen, als die Birkin Bag mich ablenkt.
Moment mal. Hat sie sich etwa gerade bewegt ?
Was natürlich lächerlich ist. Handtaschen bewegen sich nicht.
Ich starre die Tasche an. Natürlich liegt sie vollkommen reglos auf dem Stuhl, sodass ich schließlich den Blick abwende und noch ein Schlückchen Wein trinke. Ehrlich, ich trinke gerade erst den zweiten Schluck und schon bilde ich mir Sachen ein.
Sie hat gerade gezappelt.
Ich sehe es aus den Augenwinkeln. Und diesmal gibt es kein Vertun. Sie zappelt eindeutig! Und strampelt. Starr vor Schreck stiere ich sie an, und dann plötzlich erscheinen eine winzig kleine rosa Nase und zwei Knopfaugen, gefolgt von einem dünnen behaarten Körper. Und wie ein geölter Kugelblitz fällt das Ding über die Wasabi-Erbsen her.
»O Gott, da ist eine Ratte!«, japse ich entsetzt.
»Eine Ratte? Wo?«, kreischt Fiona, macht auf ihren Stilettos einen Satz nach hinten und perforiert dabei Pippas Zehen.
Die daraufhin einen markerschütternden Schrei ausstößt. »Aaaaaah!«
Was alle anderen ebenfalls in Aufruhr versetzt, und gleich darauf wimmelt es in der Küche von hysterisch quiekenden Mädels, während die Feuchtigkeitscremes im hohen Bogen durch die Luft fliegen, weil alle sich entsetzt aneinanderklammern. »O Gott, eine Ratte! Da ist eine Ratte! Eine …«
»Tallulah!«, jault Pippa, die sich losgerissen hat und sich quer über den Küchentisch wirft. »Tallulah, Schätzchen!«
Tallulah?
Urplötzlich wird alles still, als sie sich auf die Ratte stürzt und sie an ihre Brust drückt, ihren kleinen Kopf streichelt und gurrt und zirpt, als sei es ein Baby.
Sie hat eine Ratte namens Tallulah?
»Keine Angst, Baby, Mama ist ja da«, säuselt sie, dann schaut sie auf und sieht mich strafend an. »Tallulah ist zufälligerweise mein neuer Welpe.«
»Das ist ein Hund?« Verdutzt betrachte ich das kleine nagetierartige Ding.
»Nicht irgendein Hund«, entgegnet sie aufgebracht. »Sie ist ein chinesischer Mini-Nackthund. Aber von Hunderassen verstehst du vermutlich ohnehin nichts, nicht wahr?« Wobei sie vielsagend zu Flea rüberschaut, der mit weit gespreizten Beinen auf der Sofalehne sitzt. Wie
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