Der Wunschtraummann
ich sein möchte. Mit meinem Freund, der mich von der anderen Seite des Tischs anhimmelt, in einem romantischen Restaurant.
»Und, hast du mich vermisst, während ich weg war?«, will Seb wissen und greift über den Tisch nach meiner Hand.
»Natürlich«, entgegne ich, als er seine Finger mit meinen verschränkt. Ich habe ein wunderbar wohlig warmes Gefühl im Bauch, und das kommt nicht bloß von dem Martini.
»Und, was hast du so getrieben, während ich große Geschäfte abgeschlossen habe?«
Angestrengt durchforste ich mein Hirn nach einer lustigen Anekdote, die ich ihm erzählen könnte. Ah, ich weiß! Ich beuge mich nach vorne. Seb wird diese Geschichte sicher gefallen. »Also, du rätst sicher nie, was ich gestern Abend gemacht habe«, erzähle ich begeistert und muss bereits bei dem Gedanken an Fionas und meine Fischpediküre kichern. Ich lege eine kleine Pause ein, damit er etwas sagen kann, aber er scheint irgendwie nicht so recht bei der Sache zu sein. Ich spüre ein seltsames Vibrieren. »Was ist das denn?«
»Mein iPhone«, antwortet er, nimmt es hastig vom Tisch und linst auf das Display. »Eine E-Mail aus dem Genfer Büro.«
Bis eben hatte ich gar nicht mehr an Sebs iPhone gedacht. Seit unserer Trennung habe ich eigentlich an nichts anderes als an die schönen Seiten unserer Beziehung denken können und dabei alles andere vergessen. Als würde das Gedächtnis absichtlich sämtliche nervigen Macken und alles, was einen an der Beziehung gestört hat, ausblenden, sodass man alles durch eine rosarote Brille betrachtet. Fast als würde man sämtliche miesen Fotos wegwerfen, auf denen man total bescheuert aussieht, und nur die schönen behalten. Sodass man schließlich beim Betrachten der Fotos vom Griechenlandurlaub im letzten Jahr felsenfest davon überzeugt ist, man sei eine Kleidergröße schlanker gewesen, habe keine Cellulitis gehabt, dafür jeden Tag seidig glänzendes Haar. Während man tatsächlich die Hälfte der Zeit schrecklich aussah, die Haare vom gechlorten Poolwasser einen Gelbstich bekamen und man einen sehr unvorteilhaften Rettungsring spazieren führte, wenn man nicht daran dachte, den Bauch einzuziehen. Und wenn dann zu allem Unglück auch noch die Sonne von hinten auf die Oberschenkel fiel … Autsch!
Aber diese Fotos sind natürlich längst gelöscht und mit ihnen die unschönen Erinnerungen.
Bloß dass ich jetzt wieder daran erinnert werde, denke ich mit einem Blick zu Seb, der munter auf dem Touchscreen herumtippt, was mich total nervt. Diesmal werde ich jedoch einfach großzügig darüber hinwegsehen. So tun, als würde ich es gar nicht merken. Ich werde nicht, ich wiederhole, nicht die Beherrschung verlieren und anfangen, iPhones aus dem Autofenster zu werfen (zu meiner Verteidigung muss ich dazu sagen, dass ich ihn nur davon abhalten wollte, gleichzeitig Auto zu fahren und SMS zu schreiben, was, wie jeder weiß, brand gefährlich ist). Nein, wenn so etwas noch mal vorkommt, dann werde ich ihn einfach ganz ruhig bitten, rechts ranzufahren, und dann steige ich aus und gehe zu Fuß weiter.
»Alles okay?«, erkundige ich mich, als ich das altbekannte rauschende Geräusch höre, das anzeigt, dass er die Mail verschickt hat.
»Alles bestens, nur noch schnell ein paar Details festgeklopft«, meint er und legt sein iPhone wieder auf den Tisch. »Was wolltest du gerade sagen?«
Bloß ist meine anfängliche Begeisterung mittlerweile verflogen, und irgendwie finde ich die Geschichte nun gar nicht mehr so witzig. »Ach, nichts«, sage ich und schüttele leicht den Kopf.
»Hey, Seb!«
Ein lauter amerikanischer Akzent lässt uns aufschauen, und ich sehe einen etwas fülligeren Mann im Anzug an unseren Tisch treten.
»Hey, Chris«, ruft Seb freudestrahlend.
An Chris erinnere ich mich noch. Er ist einer von Sebs Kollegen. Ich habe ihn nur ein paarmal gesehen, mochte ihn aber ehrlich gesagt nie besonders. Mir kam er immer so aufgesetzt vor. Nie konnte er sich an meinen Namen erinnern, und es ging immer nur darum, uns seinen neuen Porsche und seine neue Blondine vorzuführen.
»Ich habe euch eben gesehen, als wir gerade gehen wollten.« Womit er auf eine attraktive Blonde im Cocktailkleid deutet.
Manches ändert sich eben nie.
»Anna, ich hatte dich gar nicht gesehen«, begrüßt Seb sie lächelnd und gibt ihr ein Küsschen auf jede Wange. »Hey, Tess, ich möchte dir zwei sehr gute Freunde vorstellen«, sagt er an mich gewandt. »Ihr beiden, das ist Tess. Meine Freundin «, sagt er
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