Der Wunschzettel - Be Careful What You Wish For
leider nicht. Stattdessen war es auf reichlich dramatische Weise auseinandergefallen, als ich mir eines Tages Daniels Saab ausgeborgt und Kondome im Handschuhfach entdeckt hatte. Ich weiß - klischeehafter könnte es nicht sein. Ich hatte immer gedacht, solche Dinge passierten nur den Helden in einer Seifenoper oder Gästen bei Jerry Springer, aber da stand ich, an einer roten Ampel, sang ein Stück von den White Stripes mit und kramte im Handschuhfach nach einer herumliegenden Schachtel Zigaretten. Offiziell hatte ich zwar schon vor Monaten damit aufgehört, aber insgeheim gönnte ich mir heimlich den einen oder anderen Zug, und Jack Whites Gesang versetzt mich grundsätzlich in Zigarettenstimmung - live fast, die young, Rock’n’ Roll und so. Doch statt einer Schachtel Marlboro Lights stieß ich auf ein Päckchen Durex »Pleasuremax - für maximale Stimulation beider Partner«.
Ich kann mich noch daran erinnern, als wäre es gestern gewesen. Für den Bruchteil einer Sekunde erstarrte mein Gehirn wie unter Schock, als versuchte es, sich gegen die Tatsache zu wehren, dass ich nicht nur Kondome im Wagen meines Freundes gefunden hatte, sondern gleich eine 12er-Vorratspackung. Ich drehte die Schachtel um, so dass mir die Kondome in den Schoß fielen. Korrektur: das Kondom. Es war nur noch eines übrig. Mit Noppen.
Eine Weile, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, starrte ich auf das Briefchen herunter. Ich spürte, wie sich die Härchen an meinem Nacken aufrichteten. Wie mein Puls in meinen Ohren zu hämmern begann. Ich erinnere mich an den absurden Drang, in Gelächter auszubrechen. Es war so grotesk. Daniel? Untreu? Sex mit jemand anderem? Unmittelbar darauf folgte ein ebenso übermächtiger Anfall von Wut. Dieser Mistkerl. Dieser hinterhältige Mistkerl. Wie konnte er nur? Als Nächstes das jämmerliche Bedürfnis, in Tränen auszubrechen.
Trotzdem tat ich nichts. Ich saß wie betäubt hinter dem Lenkrad. Während Jack White sang. Der Motor lief. Die Welt drehte sich. Bis mich das Hupen der anderen Autos aufsehen und erkennen ließ, dass die Ampel auf Grün gesprungen war.
Sobald ich nach Hause kam, konfrontierte ich Daniel mit meinem Fund. Anfangs versuchte er noch zu leugnen, dass es seine Kondome seien. Sie gehörten seinem Assistenten, es sei alles ein Missverständnis. Er kam mit jeder Ausrede daher, die man sich nur vorstellen konnte. Bis er endlich zugab, dass er mit einer anderen Frau schlief - aber er sei nicht in sie verliebt, sondern es gehe nur um Sex. Nur um Sex.
Wie er das sagte, klang es so läppisch, so belanglos, so ohne Konsequenzen, so unwichtig. Diese drei kleinen Worte hatten eine Schneise in mein Leben geschlagen wie eine Abrissbirne in ein abbruchreifes Haus. Er hatte mein Herz nicht nur gebrochen, sondern es förmlich in Schutt und Asche gelegt.
Natürlich kam ich darüber hinweg. So wie alle Menschen. Und jetzt geht es mir wieder gut. Sehr gut sogar. Ich habe die Fotografie, meine Freunde, meinen Blockbuster-Film für den Samstagabend. Und außerdem gibt es ja auch immer noch Billy Smith, meinen Kater, wenn ich mich einsam fühle. Damit will ich nicht sagen, dass ich etwas gegen die eine oder andere Verabredung einzuwenden hätte, aber ich gehöre nicht zu den Frauen, die nur von dem Gedanken besessen sind, den »Mann fürs Leben« finden zu müssen. Ich meine, es ist ja nicht so, dass ich jeden Abend mit dem innigen Wunsch einschlafe, den perfekten Mann kennen zu lernen und mich bis über beide Ohren in ihn zu verlieben. Na ja, zumindest nicht jeden Abend. Errötend sehe ich zu meinem Nachbarn hinüber.
Er ist weg.
In diesem Moment bemerke ich, dass der Zug angehalten hat und wir meine Station erreicht haben. Meine U-Bahnstation.
Piep-piep-piep-piep.
Oh Scheiße. Es ertönt dieses hohe Fiepen, das mir verrät, dass sich die Türen gleich schließen. Unter Entschuldigungen kämpfe ich mich durch den vollen Wagon, wobei mir die Zeitung aus der Hand fällt und die grünen Seiten zu Boden trudeln. Scheiße. Eilig sammle ich sie wieder ein.
Piep-piep-piep-piiiiiiep.
Die Türen gleiten zu. Eilig lasse ich die Zeitungsseiten fallen und stürze mich nach draußen. Zum Glück schaffe ich es, unversehrt auf den Bahnsteig zu gelangen. Ich schleppe mich zur Rolltreppe und fahre nach oben. Gott sei Dank ist dieser Tag fast vorbei. Ein kurzer Spaziergang am Fluss entlang, und ich bin zu Hause, kann mich in den Garten legen und die Sonne genießen. Äh … welche Sonne?
Am U-Bahnausgang werde
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