Der Wunschzettel - Be Careful What You Wish For
Wagen mitzunehmen, lüge ich, ich käme schon zurecht, die Tüten seien ganz leicht, außerdem wolle ich mich ohnehin mit Jess treffen, um zu feiern.
Kein Wort davon ist wahr.
Ich kämpfe mich aus der U-Bahnstation, wobei die Tüten gegen meine Schienbeine prallen und kleine rote Schürfwunden hinterlassen, die sich zweifellos in große dunkelrote Flecke verwandeln werden, und schleppe mich die Straße entlang nach Hause. Es ist Stoßverkehr, und wie üblich ist die Straße erfüllt von hektischer Betriebsamkeit, Lärm, Abgasen und Zigarettenrauch, aber ich registriere es kaum. Fetzen des Gesprächs mit Yvonne kommen mir wieder in den Sinn, Bilder von Brians Reaktion, Teile des Vorstellungsgesprächs mit Victor Maxfield und eine bunte Ansammlung aus Erinnerungen aus meinen sechs Jahren bei Together Forever - all das vermischt sich zu einer Collage aus Bildern, die in meinem Kopf herumschwirren.
Ich habe gehört, manche Menschen erleiden nach einem Unfall oder einem sonstigen traumatischen Erlebnis einen Schock, aber wenn sie ihren Traumjob angeboten bekommen haben? Ich denke darüber nach, als mir auffällt, dass ich an meiner Straßenecke stehe und eine Gestalt mit hängenden Schultern im Fenster von Mrs. Patels Laden erkenne. Das bin ich.
Ich bleibe mitten auf dem Bürgersteig stehen. Also ehrlich, Heather, was ist nur los mit dir? Sieh bloß zu, dass dieser jämmerliche Ausdruck von deinem Gesicht verschwindet. Jeder, der dich sieht, glaubt, du hättest deinen Job verloren. Du solltest außer dir vor Freude sein. Du solltest schleunigst nach Hause gehen, damit du Lionel und Ed anrufen und ihnen die tolle Nachricht überbringen kannst. Du solltest Champagner kaufen, dich ungeniert volllaufen lassen und am Ende jedem nuschelnd versichern, dass du ihn lieb hast.
Na gut, ganz so vielleicht doch lieber nicht.
Ich straffe die Schultern und setze ein falsches Lächeln auf, wie wenn man fotografiert wird und der Fotograf viel zu lange braucht. Komm schon, Heather. Überleg doch bloß mal. Kein blödes Kichern, wenn dich jemand auf einer Party nach deinem Beruf fragt. Kein Grund mehr, sich beim Klassentreffen mit den ehemaligen Kameraden zu vergleichen und sich wie eine absolute Versagerin vorzukommen. Schluss mit Bräuten mit rosigen Wangen in Satinkleidern. Das ist es! Du hast es geschafft! Du bist erfolgreich!
Ich sehe an der Pyramide aus Single-Dosensuppen im Schaufenster vorbei auf mein Spiegelbild. Seltsam, aber aus irgendeinem Grund dachte ich immer, Erfolg sieht anders aus.
Als ich die Wohnung betrete, gehe ich in die Küche, lasse die Tüten auf den Tisch fallen und beschließe, meine guten Nachrichten zu feiern, indem ich den Hörer von der Gabel nehme und wähle. Die nächste halbe Stunde schwärme ich Lionel, Jess’ Anrufbeantworter und schließlich Lou von meinem tollen neuen Job vor. Lou erzählt mir, Ed sei bei einem Kieferorthopäden-Kongress in Las Vegas - »der beste Ort für ihn, denn wenn er zu Hause ist, streiten wir uns ohnehin nur wegen Fußball«, schnaubt sie wütend. Nachdem ich alle angerufen, mich von ihnen habe beglückwünschen und mir versichern lassen, sie würden heute Abend auf mein Wohl trinken, lege ich auf und sehe mich gelangweilt in der Küche um.
O.K., was jetzt?
Ich trommle mit den Fingern auf den Tisch und werfe einen Blick auf die Uhr an der Mikrowelle. 19:03. Hmm, ich frage mich, wo Gabe ist. Beim Gedanken an ihn durchzuckt mich ein Anflug von Erregung. Ich kann ihn nicht anrufen, da er kein Mobiltelefon besitzt, kann es aber kaum erwarten, ihm alles zu erzählen. Schließlich war das Ganze seine Idee.
Ich mache den Kühlschrank auf und sehe hinein. Die Champagnerflasche, die ich zu Gabes Einstand gekauft habe, steht immer noch drin und wartet auf einen besonderen Anlass. Und nun gibt es einen. Aufgeregt lege ich die Hände um den mit Goldfolie überzogenen Flaschenhals, stelle die Flasche vorsichtig auf den Tisch und hole zwei Gläser.
Mir läuft das Wasser im Munde zusammen. Der Moët ist eisgekühlt. Das Kondenswasser perlt in Schlieren über die dunkle Flasche, und einen Moment lang stehe ich da und starre sie an, als fixiere ich jemanden in einer Bar. Nein, Heather, ermahne ich mich streng. Ich muss auf Gabe warten.
Wieder sehe ich auf die Uhr. 19:07 Uhr. Er kommt bestimmt jede Minute. Ich versuche, mich abzulenken. Ich füttere Billy Smith, mache schnell den Herd sauber, arrangiere die Kühlschrankmagneten neu.
Ein winziges Gläschen schadet doch bestimmt
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