Der Wunschzettel - Be Careful What You Wish For
Yesterday is history, tomorrow is mystery, but today is a gift. That’s why we call it the present.«
Die Tiefgründigkeit dieser Worte berührt mich.
Ich frage mich, von welchem Philosophen sie stammen. Wahrscheinlich von einem buddhistischen Mönch oder einem anderen geistigen Führer, der sein Leben darauf verwendet hat, Gutes zu tun und sich von der Liebe anderer Menschen zu nähren. Jemand, der ohne weltlichen Besitz lebt. Jemand, der bestimmt nicht einmal ein Paar Schuhe besitzt. Und schon gar keine überteuerten Sandalen, die am Ende in der Mülltonne gelandet sind. Mit einem Mal schäme ich mich. »Wer hat das gesagt?«, frage ich ehrfurchtsvoll.
Der Vogel, der seinen Durst mittlerweile gestillt hat, fliegt davon, und mein Dad wendet sich mir wieder zu. »Ich glaube, Joan Collins«, gibt er zu und hakt sich bei mir unter, während wir zum Haus zurückschlendern.
KAPITEL 7
Die Fahrt nach London zieht sich endlos hin. Aus einem mir völlig unbegreiflichen Grund muss die M4 pausenlos irgendwelchen »Bauarbeiten« unterzogen werden, was stundenlange Staus zur Folge hat oder einen zwingt, sich mit 40 Stundenkilometern durch ein raffiniertes Labyrinth aus orangen Kegeln zu lavieren, die über Nacht plötzlich auf der Bildfläche erscheinen. Trotzdem sieht man nie, wie eine dieser »Bauarbeiten« tatsächlich auch ausgeführt wird. Es ist eines der großen Geheimnisse des Lebens.
Wie Kornkreise, sinniere ich und beschleunige das Tempo, als ich auf die Fahrbahn einschere und mir wünsche, es gäbe keine Phänomene wie Baustellen oder dichten Verkehr. Stellen Sie sich nur mal vor, wie es wäre, wenn es all das nicht gäbe. Im Handumdrehen wäre ich zu Hause.
Ich gebe Gas und drehe die Stereoanlage lauter, um das Pfeifen des Windes zu übertönen. Als Vorbereitung auf die endlosen Verzögerungen habe ich mir ein paar neue Kassetten aufgenommen. Außerdem habe ich Proviant in Form einer Riesentüte gemischter Lakritze mitgenommen. Wenn ich schon auf der M4 strande, dann wenigstens mit »Best of Duran Duran« und meiner Lieblingslakritze, die rosa und gelben Zuckerdinger mit dem Lakritzkern in der Mitte, um mir die Zeit zu vertreiben. Ich schiebe mir eines in den Mund und beiße auf die weiche, süße Kokosmasse.
Zwanzig Minuten später beschleicht mich ein seltsames Gefühl. Ich kann nicht genau sagen, was es ist, aber irgendetwas ist anders. Ich düse mit offenem Verdeck auf der Überholspur dahin, mein Haar fest unter einen Schal geschoben, und habe das Gefühl, es fehlt irgendetwas. Musik? Nein. Simon Le Bon schmettert »Rio« in voller Lautstärke. Essen? Nein. Ich pule ein Stück Lakritz aus meinem Backenzahn und stecke meine Hand in die Tüte. Scheinwerfer? Es ist immer noch nicht dunkel, so dass die Seitenlichter genügen. Ich überprüfe sie. Angeschaltet.
Und dann weiß ich es.
Orangefarbene Kegel. Es sind keine da.
Und es gibt auch keinen Stau. Ungläubig lächelnd drücke ich mit meiner Flip-Flop-Sandale aufs Gaspedal. In diesem Tempo bin ich in nicht einmal zwei Stunden zu Hause.
Korrektur: in genau einer Stunde und 45 Minuten. Das weiß ich deshalb so genau, weil ich auf die Uhr sehe, als ich in meine Straße biege. Das muss Weltrekord sein. Ich drossle das Tempo und tuckere müßig die von Bäumen gesäumte Straße entlang. Mit dem Oberkörper über dem Steuer, die Unterlippe zwischen die Frontzähne gesogen, mache ich mich an die gewohnte Jagd nach einem freien Parkplatz. Meine Hoffnungen sind nicht allzu groß. In all der Zeit, seit ich in meiner Wohnung lebe, habe ich noch nie einen Parkplatz vor der Tür ergattert.
»Ich wünschte, es gäbe einen Parkplatz«, murmle ich, »nur einen einzigen.«
Doch meine ganze Straße entlang stehen die Autos Stoßstange an Stoßstange. Ich lasse mich im Sitz zurücksinken und drücke aufs Gas. Also muss ich um den Block fahren. Wahrscheinlich ein Dutzend Mal. Bis ich etwa eine Meile von hier entfernt eine Lücke finde. Obwohl sich wahrscheinlich allerhand Diebe, Vergewaltiger und solche Typen in den unbeleuchteten Straßen herumtreiben und … oh mein Gott!
Während ich mir meine durchaus sichere Wohngegend als die Art Gangland-Ghetto ausmale, wie man sie aus Filmen mit Al Pacino kennt, ramme ich um ein Haar einen Range Rover. Er ist gegen die Fahrtrichtung geparkt und blinkt rechts, und als er vor mir auf die Straße biegt, trete ich auf die Bremse.
Ich komme so abrupt zum Stehen, dass mein Kopf wie der einer Crashtest-Puppe gegen die Nackenstütze
Weitere Kostenlose Bücher