Der Wunschzettel - Be Careful What You Wish For
Schreibtisch da, mampft ein Croissant und mustert mich. »Dieses Lächeln. Das kenne ich irgendwoher. Es ist ein Nach-dem-Vögeln-Lächeln.«
Ich verdrehe die Augen, ziehe meine Jeansjacke aus und trete vor den alten Mahagoni-Garderobenständer. Seit sechs Jahren steht er in der Ecke unseres Büros wie eine Vogelscheuche und biegt sich unter alten Jacken und Mänteln, auf die keiner von uns mehr Anspruch erhebt. Und jeden Tag in den letzten sechs Jahren habe ich mir halbherzig gewünscht, es gäbe einen anderen Platz, wo ich meine Jacke aufhängen kann, ehe ich aufgebe und sie über die anderen werfe. Wie heute.
»Also, raus damit, wer ist der glückliche Teufel?«
Ich wünschte, es gäbe einen freien Haken für meine Jacke.
»Es gibt keinen glücklichen Teufel«, erwidere ich und verstumme. Denn aus irgendeinem unerfindlichen Grund ist heute alles anders. Ein freier Haken. Ungläubig starre ich ihn an. Ehe ich meine Jacke auf hänge und mich Brian zuwende.
»Du hattest das ganze Wochenende frei und tänzelst mit einem Grinsen von der Breite einer Bauchrednerpuppe hier herein.« Er legt sein halb aufgegessenes Croissant beiseite und presst sich die Hand auf die Brust. »Hand aufs Herz, und jetzt schwörst du, dass du keinen Kerl kennen gelernt hast.«
Ehrlich, Brian kann dermaßen dramatisch sein.
»O.K., ich habe einen Mann kennen gelernt …«, gebe ich zu. »Aber bevor du irgendwelche falschen Schlüsse ziehst … er ist mein neuer Mitbewohner.«
Brian ist geknickt. »Also keinen Klatsch?«
»Nein. Ich bin Single, schon vergessen?«
»Auch ich kenne Sex and the City.« Er zieht wissend die Brauen hoch.
»Brian, das ist eine Fernsehsendung.« Ich lache. »Die meisten Abende verbringe ich mit einem Fertiggericht vor dem Fernseher, bevor ich das Geschirr abwasche und mit einem guten Buch zu Bett gehe.«
»Mir geht’s genauso.« Niedergeschlagen zuckt er die Achseln. »Du siehst einen Mann vor dir, bei dem seit dem letzten Jahrtausend Flaute im Bett herrscht. Nein, ernsthaft«, protestiert er, bevor ich Gelegenheit habe zu widersprechen.
Nicht dass ich das vorgehabt hätte. Seit ich Brian kenne, gibt es für ihn nur drei Gesprächsthemen. Sex (beziehungsweise den Mangel daran), West End Musicals/Michael Crawford (ein Genie) und die Tatsache, dass er seit sieben Jahren keine Beziehung mehr hatte - drei Dinge, zwischen denen für meine Begriffe ein enger Zusammenhang besteht.
»Als ich letztes Mal zum Zug kam, hatten Abba mit ›Waterloo‹ gerade einen Nummer-1-Hit.« Er greift wieder zu seinem Croissant.
»Brian, denkst du jemals an etwas anderes als an Sex?«, tadele ich ihn gutmütig, schiebe seine Füße vom Tisch und lege die Post vor ihm ab.
»Woran soll ich sonst denken?« Krümel lösen sich von seinem Croissant und bleiben an seinem frisch rasierten Kinn haften wie an einem Klettverschluss. Er tupft es mit einer Papierserviette ab.
»Politik? Religion?«, schnaubt Maureen, die mit Eimer und Wischmopp aus der Küche tritt. Maureen ist unsere Putzfrau, eine dürre, drahtige Gestalt mit einer Haarfarbe wie eingelegte rote Bete, die letztes Jahr den Verlust ihres Ehemanns verarbeitet hat, indem sie einen Philosophiekurs an der städtischen Volkshochschule belegte.
»Ohh, wie erhebend«, kommentiert Brian sarkastisch.
»Eigentlich kann es ziemlich anregend sein«, kontert Maureen brüsk und schenkt mir ein breites Lächeln, das in scharfem Kontrast zu dem finsteren Blick steht, mit dem sie Brian gerade bedacht hat. »Morgen, Heather. Wie war Ihr Wochenende?«
»Haben Sie es noch nicht mitbekommen? Sie hat gevögelt.« Brian zwinkert, teils aus Widerwillen, weil er aus dem Gespräch ausgeschlossen wurde, teils, weil er Maureen mit Begeisterung aufzieht.
»Brian, hörst du jetzt endlich auf damit? Ich habe nicht …« - ich suche nach einem halbwegs gesellschaftstauglichen Wort - »… nichts getan.« Ich gebe meinem Hunger nach, indem ich mich vorbeuge und einen Bissen von seinem Croissant nehme, ehe mir meine dicken Schenkel wieder einfallen und ich es wieder hinlege.
»Also, wieso siehst du dann so glücklich aus?«
»Haben Sie noch nie Der wunderbare Weg gelesen?«, fragt Maureen, greift nach einer Flasche Möbelpolitur und mustert sie, als wäre es ein Insektenvernichtungsspray und Brian ein Moskito. »Das Glück kommt von innen.«
»Verschonen Sie mich bloß mit diesem Dalai-Lama-Gequatsche.«
»Eigentlich stammt das von Deepak Chopra.«
»Weder noch«, werfe ich ein. »Wenn ihr
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