Der Wunschzettel - Be Careful What You Wish For
wirklich wissen wollt, warum ich so glücklich bin - es liegt daran, dass ich heute Morgen in der U-Bahn einen Sitzplatz bekommen habe.«
Das funktioniert. Brian und Maureen schweigen.
»Einen Sitzplatz in der U-Bahn?«, echot Maureen.
»Das ist alles?«, stöhnt Brian mit unübersehbarer Enttäuschung. Als einziger schwuler Mann in ganz London, dessen Sexleben sich in die Rente verabschiedet hat, als die Leute noch Stulpen trugen, neigt Brian dazu, seine Lebensfreude aus den winzigen Brocken zu ziehen, die andere ihm zuwerfen. »Kein Rummachen? Kein Knutschen? Nicht mal ein bisschen Händchenhalten?«
Zum ersten Mal, seit ich die beiden kenne, scheinen Brian und Maureen einer Meinung zu sein.
»Tut mir leid.« Ich zucke die Achseln und schalte den Computer an. »Das ist alles.«
Es ist sinnlos, irgendwelche Erklärungen abzugeben. Ich weiß, dass Brian und Maureen nie die Bedeutung dessen verstehen werden, was heute Morgen passiert ist, nachdem ich die Treppe zum Bahnsteig hinuntergegangen bin und auf die nächste U-Bahn gewartet habe. Wie sich alles wie immer angefühlt hat - dasselbe Filmposter mit Kate Hudson, auf dem einer ihrer Frontzähne mit schwarzem Filzstift angemalt ist, derselbe Automat mit Schokolade, der mich in Versuchung führt, derselbe Ablauf, als die U-Bahn einfuhr, die Türen aufglitten, ich einstieg und das Innere sehnsüchtig nach einem freien Platz absuchte.
Zuerst hatte ich nichts gesehen, weil sich der Wagon mit Pendlern gefüllt hatte, doch dann waren die Leute kaum merklich zur Seite getreten, als teile sich das Rote Meer, bis sich auf dem Gang eine breite Schneise gebildet hatte. Und da, mir direkt gegenüber, war - ob Sie es glauben oder nicht - ein freier Platz.
»Das ist alles?«, wiederholt Brian. »Und das ist der Grund für deine gute Laune?«
»Ja, das ist alles.« Na ja, O.K., vielleicht nicht ganz. Schätzungsweise hängt es auch damit zusammen, dass ich heute Morgen früh aufgewacht bin und mich nicht bei Starbucks in der Schlange anstellen musste, gestern auf dem Rückweg von Bath kein Verkehr herrschte und ich einen Parkplatz direkt vor der Haustür gefunden habe. Und natürlich mit Gabe, meinem neuen Mitbewohner, der zufällig heute einzieht.
Mein Magen beginnt zu flattern. Nicht dass ich aufgeregt wäre oder so. Wahrscheinlich ist es nur der Hunger, der sich meldet, weil ich noch nicht gefrühstückt habe. »Hat irgendjemand Lust auf Toast?« Ich verschwinde in der Küche, um Brot aus dem Kühlschrank zu nehmen, während Brian und Maureen mich noch immer anstarren. Summend nehme ich die Scheiben aus der Packung. »Hmmm … hmmm … hmmm …hmmm.« Plötzlich fällt mir auf, dass ich ein Stück von den Boomtown Rats summe. Tut mir leid, Sir Bob, aber ich fürchte, ich habe es mir anders überlegt. Ich lasse die Scheiben in den Toaster fallen und drücke den Schalter nach unten. Ich liebe Montage.
Am späten Nachmittag hat das Telefon nicht ein einziges Mal geläutet, und von Brians anfänglicher positiver Stimmung ist nichts mehr zu spüren. Ich weiß, dass er sich Sorgen um das Geschäft macht, und nachdem ich einen Blick in den Terminkalender geworfen habe, der praktisch leer ist, kann ich ihm auch keinen Vorwurf daraus machen. Ich nehme seinen Rat an, meinen Lebenslauf auf den neuesten Stand zu bringen, ehe ich ihn kettenrauchend im Büro zurücklasse, um die Aufnahmen der letzten Hochzeit in der Dunkelkammer zu entwickeln.
Normalerweise höre ich bei der Arbeit Musik, aber als ich heute den CD-Player anschalte, stelle ich fest, dass mein Gorillaz-Album Brians Phantom der Oper gewichen ist. Sehr zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich die Melodien sehr eingängig finde. Als ich mich von den Stücken mitreißen lasse und denke, dass Michael Crawford möglicherweise eine bessere Stimme hat als Damon Albarn, höre ich ein Klopfen an der Tür und drehe die Lautstärke herunter.
»Eine Sekunde …« Ich nehme eine Aufnahme des strahlenden Brautpaars aus einem Behälter mit Fixierlösung, hänge sie an einer Klammer an die Wäscheleine über mir und öffne die Tür, in der Erwartung, Brian vor mir zu sehen.
Es ist Jess - Stewardess, ebenso treue Zara-Kundin wie ich und ganz allgemein meine beste Freundin. Sie trägt noch ihre Uniform und hat ihren Trolley dabei. »Rate mal, was passiert ist.«
»Solltest du nicht in Delhi sein?« Ich zerre sie und ihren Koffer in den winzigen, von rotem Licht erhellten Raum. Jess und ich brauchen die übliche
Weitere Kostenlose Bücher