Der Wunschzettel - Be Careful What You Wish For
die Mühe, ihn einzuweihen, sondern beugt sich vor, um auch sein Glas zu füllen. »Und woher in Amerika kommen Sie?«, fragt sie.
O.K., die »Fick mich«-Schuhe mögen etwas zu viel sein, trotzdem bin ich froh, dass Jess hier ist. Und ich muss zugeben, dass sie und Gabe sich ziemlich gut zu verstehen scheinen.
»Los Angeles.«
»Oooh«, japst Jess. »Ich bin ein paar Mal geschäftlich hingeflogen und liebe L. A.«
»Ja, es hat seine Vorteile. Ich lebe in Venice, nur ein paar Blocks vom Meer entfernt.«
»Venice?«, wiederhole ich und spitze die Ohren. »Was für ein Zufall.«
»Ja, ich weiß. Seltsam, wie? Venice, Kalifornien, und Little Venice in London.« Er nippt an seinem Wein und sieht mich mit seinen großen blauen Augen an.
»Ich schätze, so was nennt man zweite Heimat«, meldet sich Jess kichernd zu Wort.
»Oder Glück«, kontert Gabe lächelnd.
»Stimmt«, erwidert Jess augenzwinkernd.
Ich schiebe meine Hand in die hintere Tasche meiner Jeans, wo der Umschlag mit Gabes erster Monatsmiete steckt. Ganze 600 £. Damit kann ich die Kreditrate für diesen Monat bezahlen und vielleicht sogar mein Visa-Konto noch ein klein wenig aufstocken. Eine Woge der Erleichterung durchströmt mich - es ist wie ein Wunsch, der in Erfüllung gegangen ist.
Kaum hat sich der Gedanke in mein Bewusstsein geschoben, kommt eine Brise auf. Sie lässt die Blätter rauschen, während die Teelichter flackern und wie winzige Edelsteine in einem Meer aus tintenschwarzer Dunkelheit tanzen. Die Metallscheiben des Windspiels klirren leise. Der Garten wirkt beinahe wie verzaubert. Ein Schauder rieselt über mein Rückgrat, und die Härchen auf meinen Armen richten sich auf. Was zum …
»Noch Wein, Heather?«
Ich kehre in die Gegenwart zurück und sehe Jess mit der Flasche Pinot Grigio in der Hand vor mir. Erschrocken rutsche ich auf meinem Stuhl herum. »Oh, äh, ja, prima«, antworte ich und bemerke, dass meine Hand zittert, als ich sie ausstrecke. »Rein damit«, scherze ich und stelle das Glas auf dem Tisch ab.
Und genau das tut sie. Als ich ihr bei Einschenken zusehe, fällt mir auf, dass die Brise so schnell abgeflaut ist, wie sie aufgekommen war. Dass die Flammen der Teelichter so reglos sind wie die Sterne am Himmel und das Windspiel kein Geräusch mehr von sich gibt. Alles ist wie zuvor. Meine Gänsehaut ist verschwunden, und mir ist warm. Und ich komme mir ein wenig albern vor. Was ist nur in mich gefahren? Zigeuner? Magie? Verzauberte Gärten? Also ehrlich, Heather, manchmal geht deine Fantasie mit dir durch. Ich greife nach meinem Weinglas und nehme einen Schluck. Fehlt nur noch, dass ich glaube, Wünsche könnten tatsächlich in Erfüllung gehen.
»Und gehen Sie manchmal zum Muscle Beach?«
Zwanzig Minuten und eine weitere Flasche später plaudert Jess noch immer angeregt über Venice Beach. Ich wusste gar nicht, dass sie so eine Expertin ist.
»Oh, ständig.« Greg tut so, als spanne er seinen Bizeps an. »Glauben Sie etwa, einen Körper wie diesen bekommt man von ganz allein?«
Ich ertappe ihn dabei, wie er grinst, und muss sein Lächeln erwidern, ganz im Gegensatz zu Jess, die so beflügelt vom Alkohol und ihren Flirtversuchen ist, dass ihr sein Sarkasmus entgeht. »Ooh, nein, dass Sie Gewichte stemmen, sehe ich. Sie sind nicht wie die englischen Männer«, erklärt sie und rümpft die Nase. »Alles, was die stemmen, sind Biergläser. Stimmt’s, Heather?«
»Na ja, nicht alle«, widerspreche ich und versuche, mich an einen Mann zu erinnern, der tatsächlich eine Art Sport betreibt, statt sich nur lang ausgestreckt auf dem Sofa zu fläzen und im Fernsehen anderen dabei zuzusehen. Gar nicht so einfach. »Was ist mit Ed?«, schlage ich vor. »Er spielt Rugby.«
Doch Jess hört mir nicht zu. Sie ist viel zu beschäftigt damit, von Muscle Beach zu schwärmen. »Oh, Heather, du wärst begeistert. Da gibt es diesen Fitness-Club im Freien, wo man all den riesigen, bronzefarbenen Bodybuildern zusehen kann, wie sie Gewichte stemmen …«
Während sie von den mit Kokosöl eingeriebenen Männern mit ihren Sixpacks und Hanteln schwärmt, bringe ich es nicht über mich, ihr zu sagen, dass ich mir kaum etwas Schlimmeres vorstellen kann. Stattdessen tue ich, was ich immer tue, wenn ich nicht weiß, was ich sagen soll: Ich gebe irgendeinen Blödsinn von mir. »Stimmt es eigentlich, dass in L. A. alle falsche Dinger haben?«, frage ich.
Gut gemacht, Heather. Zehn von zehn möglichen Punkten auf der Takt- und
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