Der Wunschzettel - Be Careful What You Wish For
Immer noch in Erwartung. Doch es passiert nichts. Ein Hauch Zuversicht keimt in mir auf. Ich verlangsame meine Schritte und schlendere - ja, schlendere - an einem Bauarbeiter mit entblößtem Oberkörper vorbei, der Zement mischt, ohne sich die Mühe zu machen, seinen Blick über meinen Jeans-Mini wandern zu lassen. Nicht einmal einen Seitenblick wirft er mir zu.
In dieser Sekunde fällt mein Blick auf die Titelseite der Zeitung, die die beiden Kerle lesen.
SCHRUMPFENDE MÄNNLICHKEIT NEUE SEXSTUDIE ZEIGT, DASS BAUARBEITER DEN KLEINSTEN PENIS HABEN
prangt in großen schwarzen Lettern auf dem Titelblatt. Ich schlage mir die Hand vor den Mund und unterdrücke ein Kichern. Und dann höre ich wieder diese Stimme in meinem Kopf. Was wäre, wenn alle deine Wünsche in Erfüllung gingen?
Nur dass ich die Stimme diesmal nicht ignoriere. Ich bin überzeugt. So abgedreht, unbegreiflich und irre es sein mag, aber es muss Zauberei sein. Und dann - keine Ahnung, was über mich kommt, aber bevor ich weiß, wie mir geschieht, schiebe ich die Finger in den Mund und stoße einen langen, befreienden Pfiff aus. Befriedigt beobachte ich, wie eine Hand voll Maurer vor Verlegenheit dunkelrot anläuft. Es ist absolut, verdammt noch mal, fantastisch!
Und es kommt noch viel besser.
Es ist, als wären mit einem Mal sämtliche Hürden gefallen, und der Rest des Tages vergeht in einem Rausch aus erfreulichen Überraschungen. Verwaiste Tiegel mit Antifaltencreme, die vorher nicht einmal das Geringste bewirkt haben, scheinen bei genauerer Betrachtung tatsächlich zu halten, was sie versprechen. Ohrringe, von denen ich geglaubt hatte, ich hätte sie verloren, und nach denen ich auf Händen und Knien gesucht hatte, tauchen schlagartig hinter dem Sofa auf wie Hasen aus dem Hut eines Zauberers. Selbst mein Haar, das sich ohne die tägliche vierzigminütige Schlacht kaum bändigen lässt, ist auf einmal glänzend, nicht verknotet und lässt sich - ich wage es kaum auszusprechen - zu so etwas wie einer Frisur formen.
Nacheinander gehen all die belanglosen Wünsche, die ich äußere, ohne besonders darüber nachzudenken, in Erfüllung. Der Selbstbräuner wird nicht mehr streifig an den Knöcheln. Mein Lieblingssandwich bei Marks & Spencer ist nicht mehr ausverkauft. Wenn ich den Fernseher anschalte, gibt es eine kurzfristige Programmänderung, und statt der angekündigten Dokumentation über Turbinen fängt gerade der Spielfilm an, den ich schon seit Jahren sehen wollte.
Aber damit nicht genug.
Nein, damit fängt es eher an. Statt mir wahllos und zufällig irgendwelche Dinge zu wünschen, versuche ich mich jetzt an allen möglichen ausgewählten Wünschen. Nichts Bedeutendes - ehrlich gesagt, bin ich ein wenig nervös, weil mir so etwas ja nicht jeden Tag passiert. Ich wünsche mir nicht, Benicio del Toro käme später auf eine Schultermassage vorbei (vielleicht versuche ich das später irgendwann), aber die Resultate sind nach wie vor ziemlich beeindruckend.
Zum Beispiel Eiscreme.
Mein ganzes Leben lang habe ich es nie geschafft, nur einen oder zwei Löffel zu essen und dann die Packung ins Eisfach zurückzustellen. Stattdessen habe ich grundsätzlich die ganze Portion verputzt und mir dann gewünscht, mir wäre nicht so übel, dass ich den obersten Knopf meiner Jeans aufmachen muss. Aber gestern, als ich meine Theorie bei Frühstück bei Tiffanys mit einem ganzen Kübel Häagen Dasz Belgische Schokolade ausprobiert habe, war von Übelkeit nicht die geringste Spur. Und meine Jeans haben auch nicht gespannt! Es war, als hätte ich das Eis nie gegessen. Wirklich erstaunlich.
Noch erstaunlicher ist, dass ich heute, als ich neues Eis kaufen wollte, auf einmal keine Lust darauf verspürt habe. Es ist wirklich merkwürdig, aber jetzt, wo ich weiß, dass ich es essen kann, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen, ist es, als wäre der Spaß daran verschwunden. Stattdessen habe ich ein paar Bananen gekauft.
Und dann das Wetter. Wann immer ich mir die Haare föhne, regnet es. Hundertprozentig. Diese Woche nicht. Diese Woche war es warm und trocken, und mein Haar hat sich kein einziges Mal gekräuselt. Sondern es hat jeden Tag toll ausgesehen.
Das Beste aber sind die Ampeln. Von Little Venice über Hampstead bis nach Elephant and Castle hatte ich keine einzige rote Ampel. Die ganzen letzten Tage war jede einzelne von ihnen grün, so dass ich nie stehen bleiben musste. Plötzlich macht es richtig Spaß, durch London zu fahren. Na
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