Der Wunschzettelzauber
Störenfried zu sein.
»AuÃerdem müssen wir noch die Stöcke sehr penibel zurückschneiden und dann alle Schösslinge verbrennen, um Krankheiten zu verhindern.« Während sie seiner besorgt klingenden Stimme lauschte, gewann Chloe den Eindruck, dass das wirklich ein Problem war. Anscheinend konnte eine Pilzkrankheit, die wie ein Damoklesschwert über den Weinbergen hing, zu etwas namens Apoplexie führen (das klang, als sollte man es lieber vermeiden), und auÃerdem war da noch eine von einer Art Schimmelpilz verursachte schreckliche Krankheit namens Eutypiose. Gottogott.
»Deswegen sollte ich wirklich nicht tagelang meine domaine alleinelassen«, fuhr Guillaume fort. »Jedenfalls nicht im Augenblick.«
»Soll das heiÃen, dass du nicht kommst?«
»Nein, ich komme nicht. Das wäre nicht vernünftig. Es tut mir leid.«
Vernünftig â eines ihrer Lieblingsworte. Trotzdem war Chloes erster Gedanke: Halt mal! Wir haben einen Tisch im Brindisa reserviert, und dort gibtâs den göttlichsten Pata-negra -Schinken! Und in der Tate Modern ist gerade diese unglaubliche Installierung zu sehen â sie haben die Turbinenhalle mit Sand gefüllt, das ist einfach genial . Das wollte sie eigentlich sagen, aber es schien ihr etwas erbärmlich und bar jeden Mitgefühls, diese Worte tatsächlich auszusprechen.
»Ach du liebe Zeit«, erwiderte sie stattdessen. »Das ist ja schrecklich, Guillaume. Ich habe mich so sehr darauf gefreut, dich wiederzusehen.« Ihr kam plötzlich der Gedanke, dass dies wahrscheinlich eine ziemlich exakte Annäherung an das Gespräch zwischen Guillaume und Antoine vor ihrer Hochzeit war, als Guillaume nicht kommen konnte (oder wollte?). Nun ja, das nützte nun auch nichts.
Der Nagellack auf ihren Zehennägeln war jetzt trocken. Vorsichtig entfernte Chloe die Schaumstoffkeile zwischen ihren Zehen. Ihre FüÃe sahen hübsch aus; schade, dass Guillaume sie morgen nicht zu sehen bekam.
»Aber könnte nicht jemand anderer sich darum kümmern?«, platzte sie heraus und bedauerte es sofort.
»Nein. Das ist meine Aufgabe und meine Verantwortung, Chloe.«
»Aber wenn du doch so viel um die Ohren hast«, versuchte sie es anders, »warum bittest du dann nicht Aurélie â¦Â«
»Was hat denn Aurélie damit zu tun?«, fragte Guillaume, und es klang überrascht. »Hör mal, das bedeutet doch nur, dass wir meinen Besuch um ein paar Wochen verschieben. Das ist doch nicht so schlimm, oder?«
»Nein, natürlich nicht«, erwiderte Chloe. »Wir können einen anderen Zeitpunkt ins Auge fassen.« Sie hatte das beunruhigende Gefühl, dass Guillaume Sablé so, wie die Dinge liefen, nicht die Freiheit besaÃ, häufig freie Wochenenden in der Stadt zu verbringen. Er war praktisch mit seiner domaine verheiratet und daher nicht sehr flexibel.
»Und auÃerdem«, meinte Guillaume nach kurzem Schweigen, »ist dies ja nicht das erste Mal, dass wir eine Gelegenheit, uns zu treffen, verpassen und das später nachgeholt haben.«
»Wie meinst du denn das?«
»Erinnerst du dich an vergangenes Weihnachten in Petit Mulot?« Er schien jetzt etwas entspannter. »Ich war zu Jeannettes und Andrés Party eingeladen. Aber wie das Schicksal so spielt, wurden wir eingeschneit.«
»Ich erinnere mich. Dieser unglaubliche Blizzard.«
»Ja. Ich habe versucht, mein Auto freizuschaufeln, aber es war wie ein Kampf gegen Windmühlenflügel. Ich musste akzeptieren, dass es wohl nicht hatte sollen sein.«
»Und ⦠wusstest du, dass ich bei den Regards zu Besuch war?«
»Ja. Ich hatte mir schon vorgestellt, wie ich durch den Raum voller Leute auf dich zugehen und mich dir vorstellen würde und dass du dich an mich erinnern würdest als den ⦠wie hast du mich genannt?«
Chloe lächelte. »Den âºunglaublich netten Kerl, dessen Name ich nie erfahren werdeâ¹ .«
»Richtig.«
Chloe malte sich in Gedanken diese Szene aus. Eine nette Party bei den Regards, würziger Glühwein, Kerzenlicht, ein knisterndes Feuer im Kamin und im Hintergrund erstrahlend der Weihnachtsbaum. Gelächter und Gespräche und André, wie er auf dem Klavier spielte. Nicolas hätte die Erlaubnis bekommen, noch eine Weile bei den Erwachsenen zu bleiben, und hätte in Pyjama und Morgenmantel sehr süà ausgesehen. Und dann, ein
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