Der Wunschzettelzauber
äuÃerst anstrengend und ziemlich nutzlos. Meistens achtete Nicolas sowieso kaum auf ihre Antworten â er war zu sehr damit beschäftigt, sich die nächste Frage auszudenken. Sie hatte also gelernt, ihre Antworten kurz zu halten, auf das Wesentliche zu beschränken oder, noch geschickter, eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten. So wie jetzt.
»Was meinst du denn, warum er uns besuchen will, Nicolas?«
Der kleine Junge dachte nach. »Vielleicht, weil er mit meinen Spielsachen spielen will?«
»Das würde ihm bestimmt Spaà machen«, erwiderte Chloe zuversichtlich. Sie nahm jeweils einen Drachen und einen Flugsaurier in eine Hand und lieà sie mit gefährlichem Brummen in niedrigem Zickzackkurs über die Burg fliegen. »Das sind Aufklärer«, erklärte sie. »Die werden der bösen Giraffe Bericht erstatten, und dann bricht hier die Hölle los.«
»Hat Guillaume Spielzeug, das mir gefallen würde?«, erkundigte sich Nicolas. »Bringt er etwas davon mit?«
Chloe sah ihn verblüfft an. »Ich weià nicht, Schätzchen. Aber ich kann ihn fragen, wenn du willst.«
»Ist Guillaume gut mit Lego?«, fragte Nicolas plötzlich.
Chloe wusste, was hinter dieser Frage steckte, obwohl ihr Söhnchen zu taktvoll war, um es auszusprechen: Sie war eine komplette Niete beim Lego-Bauen. All diese kleinen, bunten Plastikbausteinchen und vierzig Seiten Bedienungsanleitung â du lieber Gott. Das war wie ein Ikea-Regal aufbauen, nur noch schlimmer. Ursprünglich war die Lego-Idee auf Jamesâ Mist gewachsen. Ihr Bruder war manchmal noch immer wie ein Zehnjähriger. Und auch ihr Vater half beim Bauen manchmal mit. Es wäre also ein mächtiges Plus für Guillaume, wenn sich herausstellen sollte, dass er neben seinen sonstigen Vorzügen auch noch ein Lego-Experte war.
Als Chloe an diesem Abend Guillaume eine E-Mail schrieb, fragte sie ihn kurzerhand nach seinen Lego-Künsten. Es war nicht wirklich wichtig. Sie hätte es nur gern gewusst.
»Ist schon eine Weile her«, kam die vorsichtige Antwort. »Aber ich kannâs ja versuchen.«
Na also. Er wollte es versuchen. Das genügte ihr.
Sie fuhr also fort, Guillaumes Besuch in den schönsten Farben auszumalen, während Nicolas gelassen zuhörte. Hin und wieder stellte er Fragen. Ob Guillaume Krieg der Sterne mochte; wie schnell er rennen konnte; ob er groà genug war, um die groÃe Rutsche im Park hinunterzurutschen. Das ist wirklich gut, muss ich mir merken , dachte Chloe. Das sind anscheinend die wichtigsten Fragen, die ich einem Mann beim ersten Date stellen muss . AuÃerdem brauchte sie nicht zu befürchten, dass Guillaume und Nicolas beim ersten Treffen der Gesprächsstoff ausgehen würde.
Und schlieÃlich kam der letzte Tag vor Guillaumes Besuch. Chloe war vor freudiger Erwartung auÃer sich, sie sang und tanzte im Zimmer umher, bis Nicolas schlieÃlich, als er abends in seinen Pyjama schlüpfte, betont feststellte: » Jemand ist hier ein bisschen übermüde !«
»Ich bin nicht müde«, widersprach Chloe und folgte ihm ins Badezimmer. »Ich weià nicht, ob ich heute Nacht überhaupt schlafen kann.«
»Warum?«, fragte Nicolas, während er auf seinen blauen Plastikhocker kletterte und nach seiner Piraten-Zahnbürste griff.
»Weil morgen Guillaume zu Besuch kommt! Und er bleibt zwei ganze Tage in London!«
Während Nicolas sich die Zähne putzte, kam Chloe in den Sinn, wie schwer es doch war, ihm klarzumachen, warum Guillaume so Âetwas besonders Gutes war. Nun ja, einerseits hatten viele ihrer Âpositiven Eindrücke von Guillaume mit Wein zu tun. Die Erinnerungen an wunderbare Weine, die sie bei der Hochzeit und bei der Weinprobe getrunken hatte, verschmolzen zu einem Geschmacksurteil über Guillaume selbst. Dafür hatte Nicolas natürlich keinen Sinn. Es wäre einfacher, wenn Guillaume Eiscreme produzieren würde oder Schokolade wie Willy Wonka in seiner Schokoladenfabrik.
Nicolas spülte seine Zahnbürste aus und legte sie weg. Dann kletterte er von seinem Hocker und verschwand in sein Zimmer. Chloe folgte ihm und schaltete das Licht aus.
AuÃerdem war Nicolas als Junge auch nicht besonders empfänglich für die Romantik von Hochzeiten. Das aber war die zweite Erinnerung, die sie stark mit Guillaume verband. Ihm so zu begegnen, bei einer Hochzeit, machte es ihr
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