Der Wunschzettelzauber
ihnen unzählige Bilder von sich mit Triinu im Arm vor dem Big Ben, vor dem Buckingham Palace oder, vielleicht am aufregendsten, vor dem riesigen, mehr als hundert Jahre alten Kaufhaus Harvey Nichols. Und die Mädels antworteten immer, fragten sie zum SpaÃ, ob sie Mr Bean in seinem kleinen Auto begegnet wäre, und schrieben, wie sehr sie sie beneideten, dass sie mit ihrem englischen Mann mitten in der Weltstadt London leben durfte.
Aber wenn sie sah, wie die dunkelhaarige Mum ihren Kopf zurückwarf und über etwas lachte, was die andere gerade gesagt hatte, wurde Kaja bitter klar, dass Freundschaft aus der Entfernung nicht das Gleiche war. Es fehlte die Spontaneität und die Wärme des unmittelbaren Kontakts.
Kaja war gerührt, wenn Nicolas und Tallulah zu ihr gekrochen kamen, sie anstrahlten oder sogar gelegentlich auf ihren Schoà gehoben werden wollten. Sie nahm sie dann in den Arm und drückte sie herzlich, dann reichte sie sie mit einem höflichen Nicken und einem Lächeln wieder an ihre Mütter zurück.
Dann, eines schönen Tages, waren die beiden faszinierenden Mums gegen Ende der Spielgruppensitzung ihren Kindern gefolgt und hatten sich aus eigenem Antrieb zu Kaja gesetzt.
Daraufhin war zwischen den drei Frauen wie von selbst rasch eine Freundschaft entstanden, denn obwohl die junge Frau, der Sally den Spitznamen »Die Prinzessin aus dem Morgenland« gegeben hatte, nur wenig Englisch sprach, war in den stockenden, von viel Gestik und Mimik unterstützten, kichernden Unterhaltungen deutlich zu erkennen, dass sie jemand war, mit dem man seinen Spaà haben konnte.
Bald danach waren aus drei Freundinnen vier geworden. Wie die vier Jahreszeiten oder die vier Elemente. Oder die Beatles.
Es geschah an einem herrlichen, warmen Septembertag, als sich Chloe, Sally und Kaja schon frühmorgens am Spielplatz getroffen hatten, wie sie es damals, als die Kinder noch zu klein für den Kinderhort waren, bei schönem Wetter immer taten. Wenn man von seinem hyperaktiven Sprössling schon in aller Herrgottsfrühe aus den Federn gerissen wurde, dann tat es gut, nach drauÃen zu gehen und sich mit anderen Frauen zu treffen, denen es genauso erging. Der Spielplatz, so witzelten Chloe und ihre Freundinnen, war ihr Freiluftbüro. Sie waren sozusagen Kolleginnen, die neben dem Trinkwasserspender einen Schwatz hielten.
An jenem Tag kamen die drei Mütter, während ihre Sprösslinge in der Babyschaukel saÃen, auf gutaussehende Männer zu sprechen. Sally meinte, dass es ganz schön schwer sei, in einer reinen Mütterwelt zu leben. Klar, der Spielplatz war ihr Büro, aber er hatte einen groÃen Nachteil: Es gab keine hübschen männlichen Kollegen weit und breit.
»Obwohl es da schon ein paar tolle Kerle für Mamis im Kinderfernsehen gibt«, warf Sally ein und gab Tallulahs quietschender Schaukel einen Schubs. »Habt ihr gestern Abend Gene Hunt gesehen, wie er im Kinderkanal eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen hat? Alle Achtung.«
»Du meinst wohl Philip Glenister?«, erwiderte Chloe amüsiert.
»Ja genau, den. Na ja, egal, jedenfalls würde ich mich von dem jederzeit gern zu Bett bringen lassen, har-har-har!«, machte Sally mit einem lüsternen Glitzern in den Augen. »Und auÃerdem haben sie noch den Wie-hieÃ-er-noch von Spooks und Pride and Prejudice gezeigt.«
»Matthew McFadyen«, bot Kaja an. Sie war ein groÃer Fan von Kostümfilmen.
»Ja, genau. Mannomann.«
»Du bist ja mannstoll«, meinte Chloe und schüttelte den Kopf. »Das müssen deine Hormone sein. Sprich mal mit Philip â mit deinem Mann Philip, meine ich.«
»Ich mag ja vielleicht mannstoll sein, aber da bin ich nicht allein«, versetzte Sally leichtherzig. »Im Mumsnet ging es heià her mit Anspielungen, von wegen was für ein superheiÃer Typ Sportacus in Lazy Town ist. Ich vermute, das liegt an seinem Schnurrbart.«
Alle lachten bei dem Gedanken an die harmlose Kinder-Comic-figur.
»Warum gibst du es nicht zu, Sweetsallyhigh ?«, fragte Chloe und verriet damit Sallys User-Namen bei der Eltern-Plattform. »Du hast diese Anspielungen überhaupt erst in Umlauf gebracht.«
»Neeein! Wie kannst du nur so etwas denken?«
»Ich kann es, und ich tue es. Gerade jetzt denke ich es.«
Sally schloss die Augen. »Also gut, einen Augenblick. Ich versuche, ihn mir ohne Kleidung
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