Der Wunschzettelzauber
Zimmer.
Chloe setzte sich auf sein Bett. Sie berührte das Kopfkissen, wo sein Kopf noch vor wenigen Minuten gelegen hatte. Nach einer Weile begann sie, nach ihren Kleidern zu suchen und sich anzuziehen. Nun ja, es war irgendwie seltsam gewesen, Karen auf diese Weise zu begegnen. Aber sehr wahrscheinlich war es auch für Karen irgendwie seltsam gewesen.
Guillaume .
Sie würde es Guillaume sagen müssen â nicht dass sie sich darauf besonders freute. Aber es musste getan werden, je schneller, umso besser.
Alles war anders geworden. Oder vielmehr hatte sie begonnen, das komplette Puzzlebild so zu sehen, wie es in Wirklichkeit schon immer gewesen war, mit jedem Stückchen an seinem richtigen Platz. Ihre Wahrnehmung hatte einen bedeutenden Schwenk vollzogen: Der Hintergrund war zum Vordergrund geworden, und umgekehrt. Ihre Bindung an Guillaume war ein Ausdruck ihrer Bindung an Frankreich gewesen, und die wiederum hatte viel mit Antoine zu tun, mit ihrer Loyalität gegenüber der Erinnerung an ihn. Sie hatte sich gewünscht, dass Nicolas seine enge Verbindung zu dem Heimatland seines Vaters beibehielt, wollte sie stärker machen und sie mit Guillaumes Hilfe fest verwurzeln. Es war kein schlechter Plan gewesen. Doch dann hatte sie für einen anderen neue Gefühle entwickelt. Sie liebte Charlie schon eine ganze Weile, und jetzt, wo die Katze aus dem Sack war, war sie sehr glücklich darüber. Gleichzeitig wusste sie, dass alles komplizierter werden würde. Guillaume hatte keine früheren Bindungen, schleppte wenig emotionales Gepäck mit sich herum. Bei Charlie war das anders.
Chloe kam der Gedanke, dass Karen nun wahrscheinlich eine gewisse Rolle in ihrem Leben spielen würde. Zum Beispiel gab es Katie betreffend Vereinbarungen. Es würde nicht unbedingt leicht werden, ständig mit Karen zu tun zu haben.
Da war noch mehr. Sie musste Charlie und Katie ihren Eltern vorstellen. Und Antoines Eltern. Sie und Charlie hatten nicht wie Teenager ihr ganzes Leben noch vor sich â sie waren erwachsen, waren beide schon Eltern, waren verheiratet gewesen und hatten Scheidung und Verlust erlebt. Sie könnten zusammen eine Art famille recomposée , eine Patchworkfamilie bilden.
Der Traum vom Burgund, ihr Traum, einen neuen französischen Vater für ihren Sohn zu gewinnen, war genau das gewesen â ein Traum davon, in ein anderes Leben zu entfliehen. Charlie aber existierte im hiesigen Leben, im wirklichen Leben, hier und jetzt.
Worüber sprachen sie nur da unten, wunderte sich Chloe, während sie ihre Haare bürstete. Aber es war schon in Ordnung. Der Nebel ihrer Eifersucht hatte sich gehoben, und sie war an diesem Morgen so glücklich, dass sie sich in der Lage fühlte, alle wie auch immer komplizierten Vereinbarungen, die Charlie und Karen wegen Katie getroffen hatten, mitzutragen.
»Frühstück in fünf Minuten!«, hörte sie ihn von unten zu ihr hinaufrufen. Es wurde Zeit, Nicolas für den Tag startklar zu machen.
»Ist Karen wieder nach London gezogen?«, erkundigte Chloe sich vorsichtig während des eher eiligen Frühstücks.
»Nicht dass ich wüsste«, erwiderte Charlie. »Das war nur eine kurze Stippvisite. Sie fliegt morgen nach Frankreich zurück.«
»Spricht sie gut Französisch? Ich meine, wenn sie doch mit einer französischen Theatertruppe zu tun hat?«
»Sie kommt zurecht, nehme ich an«, meinte Charlie und wischte Erdnussbutterkleckse von Katies Gesicht. »Warum fragst du?«
»Ich weià nicht«, erwiderte Chloe und lächelte ihn an. »Alles, was mit Frankreich zu tun hat, interessiert mich, weil Nicolas halb Franzose ist.«
»Ja, ich habe schon gehört, wie du mit ihm Französisch gesprochen hast.«
»Ich tue mein Bestes. Ich will nicht, dass er es vergisst.«
»Das wird er sicher nicht«, meinte Charlie. »Und er hat ja auch noch seine GroÃeltern.« Nach einer kurzen Pause setzte er hinzu: » Et moi aussi je parle un petit peu français . Wenn das hilft.«
Chloe grinste. »Das tut es sicher.« Sie begann, ihre Sachen zusammenzusuchen, und bemerkte nebenher: »Karen scheint eine Frühaufsteherin zu sein, nicht?« Sie wollte ihn nicht ausfragen, aber vielleicht würde er ihr erzählen, was dieser frühe Besuch zu bedeuten hatte.
»Manchmal«, erwiderte Charlie und lächelte sie an. »Möchtest du heute Abend mit
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