Der Wunschzettelzauber
stimmte Sally zu und nahm sich eine Pflaume, wobei sie einen raschen, besorgten Blick auf Chloe warf, wie sie es immer zu tun pflegte, wenn jemand über etwas sprach, das an einen plötzlichen oder gewaltsamen Tod erinnerte.
»Ein irrer FrontalzusammenstoÃ, bei dem man am Ende zwei wunderschöne Babys kriegt, aber trotzdem â¦Â«, sinnierte Megan. »Wisst ihr, ich hatte vorher gelesen, dass Frauen eigentlich so gebaut sind, dass sie drauÃen in der Wildnis ihre Babys alleine kriegen können. Das hat mir damals ziemlich Mut gemacht. Aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, ob ich das riskieren würde.«
»Solche Geschichten kommen mir wie kompletter Unsinn vor«, erklärte Sally im Brustton der Ãberzeugung. »Her mit den Ãrzten und mit den starken Schmerzmitteln, das ist meine Meinung.«
Megan grinste. »Hattet ihr eure Partner dabei?«, erkundigte sie sich und blickte die anderen drei fragend an.
Sally und Kaja nickten, ohne Chloe anzusehen. Chloe antwortete nur: »Nein, meiner war nicht dabei.«
»Ach, warum denn nicht?«, fragte Megan, ohne Sallys warnenden Blick zu bemerken. »Hatte er nicht den Mut dazu?«
»Nein, nein«, entgegnete Chloe. »Er wollte ja dabei sein.«
Sally sah, dass Chloe es nicht fertigbrachte, Megan Näheres zu erzählen, und lenkte ab: »Philip ist wie ein kleines Mädchen in Ohnmacht gefallen. Als er sah, wie die Nadel für die örtliche Betäubung eingeführt wurde, hat ihm das echt den Rest gegeben. Ich hab wirklich darüber lachen müssen. Mit zusammengebissenen Zähnen.«
»Steve kamen Tränen«, lieà Kaja sich vernehmen.
»Ach, wie süÃ!«, rief Megan aus. »Hat es ihn so sehr mitgenommen?«
»Nein. Weil ich Estnisch schreien. Das ihm hat Angst gemacht.«
»Tja, ich muss sagen, Philip hat später alles wiedergutgemacht«, fuhr Sally fort. »Er hat selbst die Nabelschnur durchtrennt und was so dazugehört.«
Megan blickte sie voller Neid an. »Ach, ich wünschte, Theo hätte das auch gemacht. Wie war das denn?«
Sally warf sich mit einer Kopfbewegung das Haar über die Schulter zurück. »Er meinte, es wäre wie schlappe Scampi.«
Megan und Kaja lachten.
»Wie hat denn dein Mann sich dabei angestellt?«, fragte Sally Megan.
»Mein Partner. Wir sind nicht verheiratet. Ach, er war ganz in Ordnung«, antwortete Megan vorsichtig. »Er überlieà das Ganze im Grunde mir und der Hebamme und kam dann zum Schluss herein. Um die Babys zu sehen.«
In Wahrheit hatte Theo einen weiten Bogen um das Ereignis gemacht. Er hatte schon während der Schwangerschaft mehrmals erklärt, dass er eine solch schreckliche, blutige Angelegenheit wie eine Geburt nie aus nächster Nähe sehen wollte, und wenn Megan unbedingt eine Entbindung zu Hause haben wollte, dann sollte sie tun, was sie nicht lassen konnte, aber er für seinen Teil hätte nichts für diese Art erdgebundenen Hippie-Quatsch übrig.
Die Beziehung zwischen Megan und Theo war aus einem Missverständnis heraus entstanden. Sie hatten sich in Barcelona bei einer Hochzeit von Freunden kennengelernt. Megan kannte die aus London stammende Braut, die eine ihrer Aromatherapie-Kundinnen war, und Theo arbeitete in derselben Investmentfirma wie der Bräutigam.
Es war eine traumhafte Hochzeitsfeier unter spanischer Sonne gewesen, und die Festtagsstimmung und das mediterrane Ambiente hatten für ein paar Tage die tief wurzelnden Unterschiede zwischen Theo und Megan, was ihren sozialen Hintergrund, ihre persönliche Art und ihre Einstellung zur Welt betraf, ausgelöscht. Megans hübsches Gesicht, ihre sexy Figur und ihre ehrliche, offene Art hatten Theo so sehr beeindruckt, dass er ihre Spleens und das, was er später als einen Mangel an Niveau empfand, zunächst übersah. Theo seinerseits, mit seinem attraktiv gebräunten Gesicht und dem kurzen, lockigen Haar, mit seinem Talent für Salsa-Tänze und seiner Vorliebe für tapas und Sherry war Megan zuerst fast wie ein Spanier vorgekommen, und sie hatte sich begeistert in eine vermeintliche Urlaubsromanze gestürzt. Damals hatte sie nicht geahnt, dass Theo im Urlaub ein völlig anderer Mensch war als der Alltags-Theo in London. Nicht nur dass er sich sogar abends zu Hause kaum je entspannen konnte, er war auch ein absoluter Verfechter des Prinzips »Jeder ist sich selbst der
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