Der Wunschzettelzauber
wilden Guerilla-Party mit, die von Graffiti-Künstlern in einem besetzten Haus veranstaltet wurde. Philip hatte bei den von Sally vorgeschlagenen Abenden immer das befreiende Gefühl genossen, sich in eine fremde Welt verirrt zu haben, in Sallys Welt â wenn sie ihn zum Beispiel zu diesen seltsamen Pop-up-Stores mitnahm, die kurzfristig entstanden und wieder verschwanden. In ihnen wurden Dinge angeboten, die er nicht im Traum gekauft hätte, von denen er nicht einmal mit Sicherheit sagen konnte, was sie waren.
Als er aber das besetzte Haus betrat, fiel sein Blick sofort auf das groÃes Porträt eines Malers, den er sehr bewunderte. Alle anderen Kunstwerke an den Wänden waren mit gesalzenen oder reichlich optimistischen Preisen ausgezeichnet â je nach Standpunkt â, aber dieses eine Gemälde war von dem Künstler gestiftet worden. Nach dem Bild befragt, erklärte Sallys Bekannte, die sie herumführte, eine winzige, reichlich gepiercte Frau, deren Namen Philip nicht verstanden hatte, dass sie und ihre Freunde groÃe Bewunderer dieses Malers seien. Genau genommen drückte sie sich in etwa so aus, dass der Maler einfach total hipp wäre und von keinem nichân verdammten Penny nimmt und einfach seinen eigenen verdammten Traum lebt und so, kapiert? Philip war es gelungen, sich das in seine Sprache zu übersetzen, und er fügte für Sally erklärend hinzu, dass dieser Künstler, Evan C. Kessler, vor einigen Jahren zusammen mit anderen emporstrebenden Künstlern öffentlich ausgestellt und als Erbe des britischen Malers Lucian Freud gefeiert, ja sogar für den Turner-Preis nominiert worden war. Dann hatte es irgendeine Auseinandersetzung in seiner protzigen Galerie in Hoxton gegeben, und er war mitten in der Vernissage seiner neuen Werke davongestürmt, hatte mit seinem Agenten gebrochen und war in der Versenkung verschwunden.
Sally lauschte Philips Erklärungen, in denen Hochachtung mitschwang, und war verblüfft. Auch sie bewunderte diesen rebellischen Künstler, auch sie fand ihn unglaublich cool. Oh Mann â sie hatten etwas gemeinsam, sie und Philip! Sie staunte über sich selbst, dass sie diese Entdeckung so glücklich machte. Nun ja, er war ihr guter Freund, und es war schön, sich gemeinsam für etwas zu begeistern.
Philips Gedanken wanderten inzwischen in eine ganz andere Richtung. Er hatte sich schon an dem Tag, als die Flasche Saumur-Champigny zu Bruch gegangen war , unsterblich in Sally verliebt. Sie war genau die Frau, von der er sein Leben lang geträumt hatte. Schön, so schön, dass einem schwindlig wurde, und gleichzeitig wunderbar locker und lässig, unkompliziert und direkt. Sally war wie eine Nymphe, die selbst nicht wusste, dass sie eine war. Das i-Tüpfelchen aber war, dass sie eine lustige, witzige Frau war â eine absolute Seltenheit, zumindest nach Philips Erfahrung. Sie kitzelte alle seine Sinne. Es war wunderbar, mit ihr zusammen zu sein.
Und so kam der Tag, ein Sonntagnachmittag, an dem Philip und Sally in einer Warteschlange vor einem Kino in Soho standen. Sie wollten in einen schwedischen Film mit englischen Untertiteln gehen, und da Philip ihn ausgesucht hatte, musste er wohl fürchterlich anspruchsvoll sein.
»Schuhe mit Gummiabsätzen, ich bitte dich«, meinte Sally, die von einer Schau junger Modedesignstudenten erzählte, die sie vor Kurzem stilistisch beraten hatte. »Einfach total verrückte Teile. Der Designer spinnt hochgradig. Es war, als würden die Models auf Pudding gehen. Einfach lächerlich. Und unpraktisch.« Sie grinste. »Herrgott, ich liebe Modeverrücktheiten.« Dann war sie für einen Augenblick in Schweigen verfallen. Ihr Blick ruhte auf ein paar vorbeiflanierenden Bewohnern von Soho.
Während sie den Blick abgewandt hatte, betrachtete Philip sie. Es machte ihn, wie immer, halb schwindelig vor Verlangen. Schon oft hatte er versucht, ihr seine Liebe zu gestehen, aber nie die richtigen Worte gefunden. Stattdessen â und vielleicht auch, weil es ein warmer Tag war und Sally ein ärmelloses, asymmetrisch geschnittenes Kimonokleid trug â schritt Philip zur Tat. Er beugte den Kopf und lieà einen Schmetterlingskuss auf ihre nackte Schulter flattern.
Sally wandte sich zu ihm um und sah ihn an. Aha , dachte sie, innerlich seufzend, es ist also so weit. Wir sind zwar nur Freunde, aber er ist ein Mann und versucht es .
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