Der Wunschzettelzauber
tadellose und selbstbeherrschte Erscheinung, diesen unverhüllten Schmerz als allzu peinlich empfunden. Sie hatte nie wirklich darüber reden wollen und sehr konsequent das Thema gewechselt, als ginge es nur darum, die Zähne zusammenzubeiÃen, sich zusammenzunehmen, und alles würde wieder gut. Jetzt tat sie es schon wieder, indem sie den eigentlichen Haken bei der Frage nach einem neuen Daddy entschlossen ignorierte. Aber diesmal würde Chloe ihr das nicht gestatten.
»Und was ist mit meinen Gefühlen für Antoine?«, fragte sie.
»Ach, Darling«, murmelte Jenny und streckte ihre Hand über den Tisch aus, um Chloes Hand zu drücken. »Ich weià doch, was du fühlst. Natürlich wirst du ihn immer lieben. Aber du musst auch praktisch denken, wirklich, das musst du. Du kannst nicht für den Rest deines Lebens in Trauer leben. Das ist einfach nicht normal.«
»Und was, wenn es für mich normal wäre?«, entgegnete Chloe aufrührerisch.
»Du musst nicht mal weit suchen, um einen sehr netten Mann zu finden«, fuhr Jenny ungerührt fort. »Da wäre zum Beispiel dieser charmante Franzose, für den du arbeitest.«
»Bruno?«, rief Chloe erstaunt.
»Ja, Bruno.« Jenny lächelte geziert. »Ich muss gestehen, ich gehe sehr gern hin und wieder in diesen Laden und schwatze ein bisschen mit Bruno. Er ist so â¦Â« Jenny brach ab, und ihr Blick schien sich verträumt auf eine Vision in einiger Entfernung zu richten. Ja, eines von Brunos Talenten als Geschäftsmann war sein Geschick, jeder Kundin das Gefühl zu geben, eine Königin zu sein. AuÃerdem war Jenny mit ihren sechsundfünfzig Jahren dank ihrer schlanken Figur und dem hübschen rotblonden Haar attraktiver, als sie dachte.
»Bruno ist groÃartig«, meinte Chloe. »Vor allem weil er mit Nicolas Französisch redet.«
»Ja, natürlich«, seufzte Jenny und strich glättend über ihre Bluse. »Aber ich frage mich doch â¦Â« Sie brach ab und sah ihre Tochter bedeutungsvoll an.
»Was?«
»Na ja, ich dachte immer, dass da zwischen euch beiden doch ein kleines bisschen mehr wäre. So ein ⦠wie heiÃt das Wort? Ein  frisson .«
»Zwischen Bruno und mir? Neeein!«, rief Chloe etwas heftiger als vielleicht nötig. Da sie eng mit Bruno zusammenarbeitete, war sie sich natürlich seines Charmes bewusst. Keine Frau war immun dagegen. Ihr stärkstes Gefühl ihm gegenüber aber war Dankbarkeit, und das schien ihr keine vernünftige Grundlage für eine Beziehung. AuÃerdem hatte Bruno seine eigene traurige Familiengeschichte. »Bruno hat eine schreckliche Scheidung hinter sich. Ich glaube wirklich nicht«, setzte sie hinzu, »dass er das alles noch einmal durchmachen will.«
»Also ich glaube, du wirst noch merken, dass du es wirklich viel schlechter treffen könntest.«
»Wir sind einfach nur gute Freunde, Mum.«
»Nur Freunde! Platonische Freundschaften mit Männern, schön und gut, aber wozu soll das gut sein? Nicky braucht doch etwas ganz anderes!«
»Und was wäre das genau?«
»Eine wirkliche Vaterfigur, jemand, bei dem er sich sicher und beschützt fühlt.«
»Dafür hat er mich«, entgegnete Chloe verteidigend.
»Chloe, du bist seine Mutter. Natürlich braucht er dich. Aber du kannst beim besten Willen nicht alles für ihn sein.«
»Nicolas hat eine Menge Vaterfiguren in seinem Leben«, fuhr Chloe beharrlich fort. »Er hat zum Beispiel James.«
»Ach Darling«, seufzte Jenny und zog die Nase kraus. »James ist ja ein lieber Junge, aber ich würde ihn kaum für eine Vaterfigur halten.«
Jamesâ Beitrag zu Nicolas Erziehung bestand tatsächlich hauptsächlich darin, ihn an seinen fundierten Kenntnissen über sämtliche Figuren von Krieg der Sterne und japanischen Animationsfilmen teilhaben zu lassen. AuÃerdem hatte James seinem Neffen zu dessen letztem Geburtstag eine Marshmallow-Pistole geschenkt, und es hingen noch immer eine ganze Menge Marshmallow-Fetzen überall in Chloes Haus an Wänden und Zimmerdecken, wo sie sie nicht erreichen konnte.
»Und Nicolas hat Giles«, setzte Chloe hinzu.
»Ist das dein Freund, der nicht arbeitet?«, erkundigte sich Jenny.
Chloe seufzte. »Giles arbeitet, Mum. Er geht zwar nicht im Anzug aus dem Haus, aber er versorgt seinen Sohn. Und kümmert sich um das Haus.
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