Der Wunschzettelzauber
ihrer Einstellung vielleicht schon früher eingesetzt hatte. Dass er vielleicht schon von irgendetwas ausgelöst worden war, was ihr nach Nicolasâ Weihnachtswunsch nach einem Dad und vor dieser Reise ins Burgund widerfahren war. Chloe schüttelte leicht den Kopf. Nein, ganz bestimmt nicht. In dieser Zeit war nichts Bedeutsames geschehen. An ihren jetzigen Gefühlen war nur Guillaume schuld, niemand sonst. Man bedenke nur: Er war der »unglaublich nette Kerl aus Montbard« (und zufällig auch noch Antoines bester Freund aus Kindheitstagen), der zu ihr zurückgefunden hatte. Es passte alles so gut zusammen, und es erschien ihr alles so wunderbar einfach. An dieser Stelle musste Chloe sich selbst zur Vernunft rufen: Dies alles war nur ein sehr einseitiges Luftschloss, denn sie hatte eigentlich keine Ahnung, was Guillaume für sie empfand.
Sie blickte aus ihrer Träumerei auf und lächelte, als sie Rosine in ihre Paris-Match vertieft sah. Das Titelbild zeigte einen ihrer Lieblinge, Stéphanie von Monaco.
Ohne aufzublicken, lächelte auch die alte Dame. » Chérie «, sagte sie, »versprich mir, dass du es mit le gentleman farmer sachte angehen lässt. Eine kleine badinage über Wein ist eine Sache, aber er ist nicht an GroÃstadtsirenen wie du und ich gewöhnt.«
Chloe grinste. »Ja, ja, ja«, erwiderte sie und sah auf ihre Fingernägel hinunter, die in einem trendigen Braunton lackiert waren. »Ich weiÃ, ich bin eine gefährliche Sirene. Bring lieber alle Gutsherren vor mir in Sicherheit.«
»Rotschöpfe ziehen Ãrger magisch an«, erklärte Rosine und berührte ihr eigenes Haar. »Und auÃerdem«, fuhr sie fort und warf einen Blick über die Schulter auf das gefällige Porträt von Antoines GroÃvater, das sie vor sehr vielen Jahren gemalt hatte, »weià ich, was funktioniert und was nicht. Glaub mir, ma petite .«
Da Chloe aber entschlossen war, zu der Weinprobe zu gehen, und auch neugierig darauf war, Guillaume bei Tageslicht, ohne den romantisch-stimmungsvollen Rahmen der Hochzeitsfeier zu sehen, hielt sie sich nicht lange damit auf, über dieses Gespräch nachzudenken.
So fuhr sie am Mittwoch eine Stunde vor Beginn der Weinprobe auf den Hof des Weinguts Sablé, und der Besitzer nahm sich die Zeit, sie herumzuführen. Es war mitten am Vormittag und noch etwas nebelig. Der Wind blies kalt durch die Winterschlaf haltenden Weinberge und Obstgärten mit den kahlen Kirschbäumen, Johannisbeersträuchern und Wacholderbüschen. Um ihren Gastgeber nicht allzu auffällig anzustarren, lieà Chloe ihren Blick zum Horizont schweifen, wo sich bläulich schimmernde Wälder über die Hügel erstreckten, so weit das Auge reichte. Trotzdem, Guillaume sah auch heute â in Kordhosen, hohen Stiefeln und Steppjacke â sehr gut aus. Es schien seine wahre Persönlichkeit zu unterstreichen, die Persönlichkeit eines Mannes, der eins mit seiner natürlichen Umgebung war.
Guillaume erzählte ihr von seiner Arbeit, und während er sprach, kam er ihr vor wie eine Naturgewalt â groÃ, stark und unzerstörbar. Im hellen Tageslicht entdeckte Chloe etwas Neues an ihm: Da war eine Art Reinheit, etwas Glattes und Jungenhaftes in seinem Gesicht, als hätte das Leben noch kaum Spuren in ihm hinterlassen. Chloe hatte fast das Gefühl, als ginge etwas von seiner körperlichen Kraft in sie über, zusammen mit der kräftigenden Burgund-Luft, die sie einatmete.
Guillaumes Vater hatte, wie es schien, erfolgreich mit der Herstellung von vin agro-biologique , biologischem Wein, experimentiert, sein Sohn aber trieb die Sache noch weiter, indem er das gesamte Gut auf biodynamische Verfahren umstellte.
»Biodynamik bedeutet: biologischer Anbau in konsequentester Form«, erklärte Guillaume. »Die Idee dahinter ist, dass Weinberge lebendige Systeme sind und dass die Vorgänge im Boden mit den Bewegungen der Sterne und Planeten in Verbindung stehen. Dabei ist der Mondzyklus besonders wichtig.«
»Aha«, erwiderte Chloe, die nicht recht wusste, was sie davon halten sollte, obwohl es alles sehr poetisch klang.
»Wir ernten nur zu ganz bestimmten Zeitpunkten, füllen nur zu ganz bestimmten Zeitpunkten auf Flaschen ab, führen nur zu ganz bestimmten Zeitpunkten Weinproben durch, verstehen Sie?«
»Natürlich.«
»Der Wein scheint dabei einfach besser zu
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