Der Zauber der Casati
mangelte. Und gleichermaßen werden gewisse Ereignisse, die man gern als entscheidend im Leben einer Frau ansieht, für sie nichts sein als reine Formsache. Auch als sie Camillo begegnete, passierte nichts. Es hätte der wichtigste Tag ihres Lebens sein können; die Geschichte zeigte allerdings, wie recht sie damit hatte, ihn nicht übermäßig ernst zu nehmen.
Camillos Familie hatte der jungen Luisa Amman über deren Onkel andeuten lassen, dass sie, falls sie am Ältesten des Marchese Gian Alfonso Casati Stampa di Soncino Gefallen finden sollte, selbst eine Marchesa werden könne. Dank ihres Vermögens war Luisa eine der begehrtesten Partien Italiens und Camillos Name der einer der ältesten Adelsfamilien Mailands, da drängte sich doch eine Verbindung beider geradezu auf.
Auf einer Jagdpartie wurden sie einander vorgestellt. Camillo war ein gutaussehender Einundzwanzigjähriger, er liebte die Natur, Pferde und Hunde. Ein Sportler, der in den Sattel sprang und losgaloppierte, dass der Schnurrbart nur so im Winde wehte. Er wirkte äußerst vorteilhaft mit den von der frischen Luft geröteten Wangen, in einem Gehrock, der seine schlanke Taille betonte, und den hohen Stiefeln. Seine tadellose Erziehung ließ ihn den hundertfach gehörten Geschichten der alten Herren respektvoll nickend und freundlich lauschen. Kurz, ein Junge aus gutem Hause.
Luisa war nicht zum Warten auf die große Liebe erzogen worden. Ihre gestrengen Lehrer hatten ihr eher die Passagen aus Homer und Vergil zu studieren gegeben, die sie von grammatikalischem Interesse fanden. Francesca hatte sich letztes Jahr verheiratet, jetzt war sie an der Reihe. Es drängte sie ja so, die Villa Amalia und diese Kindheit voller Stille und Einsamkeit hinter sich zu lassen, ob jetzt mittels eines Camillo Casati oder eines anderen, darauf kam es nicht an. Luisa sah in der Ehe das einzige Mittel, ein Leben nach ihren eigenen Vorstellungen zu führen. Nicht eine Sekunde lang dachte sie daran, sie könne unter die Fuchtel eines herrschsüchtigen Mannes geraten. Als verheiratete Frau wäre sie endlich das Gewicht von Onkel und Tante los, vorbei das Gehorchen! Luisa wusste, dass sie stark war, es dürstete sie nach Unabhängigkeit und Abenteuern. Sie hatte sich bereits auf alles vorbereitet. Als der Onkel ihr mitteilte, am nächsten Tag werde ihr ein Anwärter vorgestellt, akzeptierte sie in Gedanken sofort, dass das ihr Mann würde. Sie stellte ihn sich weder dick noch hässlich, weder dünn noch hübsch vor, nur als gestaltloses maskulines Etwas, das den Beginn einer neuen Ära verkörperte. Als sie Camillo zu Pferde sah, mit geradem Rücken, edler Kopfhaltung und sympathischem Lächeln, da war sie wahrscheinlich zufrieden, spürte jedoch weder Furcht noch Entzücken, weder inneres Beben noch Glut. Sie verliebte sich nicht, sie dachte nur einfach vorm Einschlafen am Abend in ihrem Jungmädchenbett an ihn. Camillo stand jetzt für die Einheit «Gatte», ein komfortabler Schatten, der ihre Freiheitsträume wahr werden lassen sollte. Bald würde sie erwachsen sein, bald im schönsten Haus von Rom wohnen und zu Bällen eingeladen werden, auf denen sie die Königin wäre.
Also wurde das Geschäft perfekt gemacht. Onkel Edoardo wahrte die Interessen seiner Nichte nach bestem Wissen und Gewissen, und die Frauen stellten die Aussteuer zusammen.
1 runder Strohhut mit kleiner weißer Feder und schwarzen Samtbändern;
1 schwarzer Samthut mit schwarzen Straußenfedern;
1 Hut mit großen Mohnblüten, roten Satinbändern und rundum verlaufender bauschiger Plissee-Spitze;
1 kleiner Zylinderhut für die Parforcejagd;
1 blauer Taftmantel mit rosa Pompons;
1 grüner Sonnenschirm mit Elfenbeingriff;
1 Sonnenschirm von Spitze aus Calais mit so feinem Bambusgriff, dass man fürchten musste, ihn zu zerbrechen;
6 Paar Handschuhe;
4 Paar Schnürstiefel;
2 Seidenschals;
1 Muff und 1 Pelerine aus Hermelinpelz;
6 Tageshemden;
6 Nachthemden;
6 Hosen;
6 spitzenbesetzte Girlandenröcke;
6 Paar Strümpfe;
6 Taschentücher;
6 Nachtmützen;
6 Kragen;
6 Paar Ärmel;
2 Korsette;
6 Mieder;
2 flanellene Unterröcke;
6 Handtücher; 6 Betttücher; 6 Kissenbezüge, allesamt von Tante Fanny, die keine schlechte Frau war, mit den Initialen der Jungvermählten bestickt;
6 Waschlappen;
1 Beutel mit Schwämmen, einem grobzinkigen und einem feinen Kamm, einer Haarbürste, einer Kammbürste;
1 Kleid aus schottischer Merinowolle;
1 dekolletiertes Kleid aus schwarzem Taft;
1 Kleid
Weitere Kostenlose Bücher