Der Zauber der Casati
aus blauem Stoff;
1 Kleid aus weißem Mousselin;
1 Kleid aus Nankingstoff;
1 seidenes Abendkleid mit langer Schleppe, diese mit schwarzen Pailletten bestickt;
1 purpurviolettes Nachmittagskleid mit kleinen geometrischen Stickereien, die den eckigen Kragen in Blau- und Blassrosatönen betonten;
1 Spazierkleid in rosa Popeline;
1 schwarzsamtener Jagdanzug;
1 Jugendstilkleid aus Baumwolle mit Mousselin-Schleiern und höchst kunstvoll übereinander drapierten Spitzenbesätzen, diese von kleinen Broschen mit aus Stoff gefertigten Rosensträußen gehalten; ihr Lieblingsstück;
1 Morgenrock aus lila Taft;
1 dreiviertellange Damenbluse aus grauer Baumwolle;
1 dreiviertellange Damenbluse aus schwarzem Samt;
1 marineblaue Samtmantille;
1 Mantille aus besticktem weißem Mousselin.
So ehelichte Contessa Luisa Casati also am 22. Juni 1890 den Marchese Camillo Casati. Ihre Hochzeitsreise unternahmen sie nach Paris, wo sie sich unter die unzähligen Besucher der Weltausstellung mischten. Unter lastender Sonne bewunderten sie das erste, «Straße der Zukunft» genannte Laufband, fuhren Métro von der Porte de Vincennes bis zur Porte Maillot und applaudierten begeistert dem Cinéorama, einer Filmprojektion des Erfinders Raoul Grimoin-Sanson auf eine riesige 360-Grad-Rundleinwand. Es war eine schöne Reise.
I ch suche Verbindungslinien zwischen Luisa und mir. Wie sie habe ich jung geheiratet, wie sie einen Unbekannten. Eine arrangierte Ehe war es bei mir aber nicht, ich war ja nie reich. Mich hat die teuflische Mechanik der Liebe auf den ersten Blick dazu getrieben. Wie wenn man ins Leere gestoßen wird. Nur wenige vermögen dem Reiz der Liebe auf den ersten Blick zu widerstehen. Ein Unbekannter. Wir lernten uns bei einer Abendveranstaltung kennen, im Spätsommer, und redeten miteinander, bis die Nacht zu Ende ging. Am ganzen Körper fühlte ich mich wie erstarrt und brennend zugleich. Es ist immer dasselbe Lied. Ginge die Liebe auf den ersten Blick, dieser Blitzschlag, nicht mit körperlichem Schmerz einher, man könnte sich ohne weiteres dagegen wehren. Aber alles andere verschwindet, es gibt nichts mehr als das Bedürfnis, den anderen zu besitzen und von ihm besessen zu werden. Ich war wie wahnsinnig, ein einziger Gedanke leitete mich – Sehnsucht stillen, seine und meine. Aus dem Abstand sehe ich, wie eng diese Begegnung mit dem zusammenhängt, was ich zu der Zeit durchmachte. Ich hatte gerade eine quälende seelische Krankheit überwunden, nahm immer noch Antidepressiva und litt wie ein armes Tier unter der Trennung von meinem damaligen Freund Jade, der nach Japan gegangen war.
Ich versuche zu verstehen, was da passierte, ich versuche es zu analysieren. Manche sagen: «Es musste sein, es war Schicksal, weil er es war, weil ich es war.» Sie irren sich. Bei so einem Blitzschlag geht es nicht um Personen, es ist der Augenblick, der wirkt. Man muss wehrlos sein, destabilisiert, dann kann der Blitz einschlagen, das tut er nicht nach Zufallsprinzip, es braucht etwas, was ihn anzieht, und in dem Sommer damals war ich, was das angeht, der reinste Blitzableiter.
Ich musste in der Zeit mit sehr vielem allein klarkommen. Leider ertrage ich das Alleinsein nicht. Dann schon lieber in schlechter Gesellschaft. Jade war meine erste Liebe gewesen und war vor mir geflohen, weil ich mich an ihn klammerte wie ein Blutegel. Er war nach Japan gegangen, hatte ewige Liebe geschworen und dass er zurückkommen werde, dabei wussten wir beide, dass es vorbei war. Ich sehe noch sein verzerrtes Gesicht hinter der Glasscheibe am Flughafen vor mir, er da oben, ich unten, meine Traurigkeit hatte ihn am Ende doch angesteckt. Ich erinnere mich, wie ich zum Parkplatz zurückging und im abgeschlossenen, leeren Wagen schluchzte.
«So, Schluss jetzt, es reicht, Camille, hör sofort auf zu weinen!» Ich kann so was, mich zur Ordnung rufen. Auf geht’s, ihr Schlappschwänze! Vorwärts alle Mann! Ich kann mich hängenlassen, mich dann aber entgegen aller Erwartung am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen, denn recht bedacht bin ich für Leiden nicht geeignet, und Traurigsein macht hässlich. Die Tränen versiegten. Ich startete den Wagen und fuhr tapfer los. Ich finde mich oft tapfer, auch wenn das Wort ein bisschen etwas Verzweifeltes hat.
Er hätte sich vor seiner Abreise von mir trennen, mir sagen müssen, dass er Luft brauchte, sich amüsieren wollte. Was uns noch gehört, lassen wir nicht so leicht los. Aber Männer sind feige, das ist ja
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