Der Zauber der Casati
mich hingepfuscht. Ich weiß noch, wie enttäuscht ich in dem Augenblick war. Ich glaube, gezeigt habe ich es ihm nicht. Damals wusste ich meine Gefühle sehr gut zu verbergen. Meine Umgebung hat mich viel dafür kritisiert, mir Heuchelei vorgeworfen, Falschheit, ja Lüge. Ich habe gekämpft, um diese innere Sperre zu überwinden, und es ist mir zum großen Teil geglückt. Leider.
Luisa hatte das Problem hundertmal überdacht, dann eine rasche Entscheidung gefällt. Schwarz musste sein, etwas glänzend Schwarzes. Und Violett. Zwei den dunklen Künsten liebe Farben. Sie wollte die faszinierende Hexe sein, die Zauberin. Jetzt profitierte sie von all ihren Besuchen in den Museen Europas. Luisa verfügte über einen klaren graphischen Sinn, ein Kalkül für frappierende Wirkungen. Berauscht vom Terpentingeruch, hielt sie sich reglos. Sie wollte vollkommen sein, Flammen mit den Augen schleudern, aus dem Gemälde hervortreten. Manche Damen der großen Welt wünschten mit ihren Kindern dargestellt zu werden. Luisa hatte ein schwarzes Windspiel auserwählt. Sie hielt es an der Leine, ein silbernes Band umschloss seinen rassigen Hals. Ein Hund, so feinnervig wie sie selbst. Giovanni Boldini war als Maler der Vitalität bekannt. Auf der recht großen Leinwand, 1,40 Meter breit und 2,52 hoch, befinden sich nur Gesicht und Hand im Stillstand. Alles andere ist in Bewegung, das weite, verschwommen dargestellte Kleid, und sogar der Veilchenstrauß an ihrem Gürtel scheint zu wirbeln. Doch die Klarheit des weißen Handschuhs, der die Hundeleine hält, verleiht dieser Frau eine zwingende Autorität. Das Gesicht ist schön. Boldini hat Luisa schöner gezeigt, als sie wirklich war, und auch größer, sie nimmt die gesamte Höhe der Leinwand ein. Mittels einer sehr subtilen, leicht gekippten Perspektive sorgt der Maler dafür, dass sie sich ihm und dem Betrachter entgegenneigt. Diese zurückhaltende Schräge übt eine magnetische Wirkung aus. Luisa saugt uns an.
Sie kam zu spät zu den Sitzungen. So etwas kannte Giovanni von anderen. Aber keine Frau konnte ihn mehr beeindrucken, sobald er den Stift in der Hand hatte. Seiner Pinselspitze waren sie auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Kaum war sie durch die Ateliertür, erging Luisa sich in atemlosen Entschuldigungen: Einen Einkaufsbummel hatte sie gemacht, der Verkehr war wieder unmöglich gewesen, sie hatte mit der Baronin Ernesta Stern zu Mittag gegessen, einer Plaudertasche ohnegleichen, hatte Cécile Sorel kennengelernt, die Actrice vom Théâtre-Français, und die Zeit aus den Augen verloren. Luisa verkehrte mit den großen Damen ebenso wie mit den Edelkurtisanen: In den Fluren des Ritz, wo sie Domizil genommen hatte, war sie mehr als einmal La Belle Otéro und Liane de Pugy begegnet. Die Tänzerinnen der Folies Bergères hingegen mochten so berühmt sein, wie sie wollten, sie interessierten sie nicht. Was der Marquise Casati über die Maßen gefiel, das war, wenn sie die Damen der feinen Gesellschaft ihren Namen murmeln hörte, die zur Tea Time fast an ihren Keksen erstickten bei der Vorstellung, dass diese reiche Ausländerin es wagte, ohne ihren Gatten im Hotel zu logieren, und schlimmer noch, sogar ohne Liebhaber.
Boldini wusste, Luisa kam mit Verspätung, weil sie begehrt werden wollte. Dies Gemälde war ihr ganzer Lebensinhalt geworden, Tag und Nacht war sie wie besessen davon. Luisa wollte ihre Seele festgehalten sehen. Unter dem riesigen Federhut kam sie vor Hitze fast um. Und diese schwarze Pelzstola, war das Fuchs, Otter, Murmeltier? Bis auf das Gesicht war kein Millimeter ihrer Haut entblößt. Sie war ganz Gewand und Gewandtheit, eingezwängt in eine Korsettjacke, dazu ein langes schwarzseidenes Kleid, und die bis obenhin weiß behandschuhten Arme in einen violetten Satinschal gehüllt. Das Fell des Hundes verschmolz aggressiv funkelnd mit dem Kleid.
Gutgelaunt wie immer trällerte Boldini vor sich hin, auf seinem Schemel sitzend, wenn er seine Stifte anspitzte und seinen großen Wanst voranschob, auf der Suche nach einem Lappen, um einen Pinsel abzuwischen. Die Arbeit nahm mehrere Wochen in Anspruch, und er weigerte sich kategorisch, ihr die Entwicklung zu zeigen. Luisa brodelte vor Ungeduld. Am Ende jeder Sitzung drehte er das Gemälde zur Wand. Manchmal konnte Luisa dank seiner ungelenken Bewegungen einen Blick auf die Veilchen oder die Kontur eines Armes erhaschen. Endlich, am letzten Tag, gestattete er ihr hinzuzutreten und das Werk zu betrachten. Der Anblick
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