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Der Zauber der Casati

Der Zauber der Casati

Titel: Der Zauber der Casati Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camille de Peretti
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traf sie wie ein Schock. Die Frau mit ihrer machiavellischen Haltung, die vor ihr emporragte, übertraf all ihre Hoffnungen. Sofort wollte sie, dass ganz Paris das Gemälde sah. Sie flehte Boldini an, es auf dem Salon auszustellen.
    Ich stelle mir Luisas Freude bei der Lektüre des Artikels vor, der voll des Lobes über Boldinis Gemälde in Le Figaro erschien. Jetzt erlebte sie erstmals wirklich erregende Berühmtheit. Wie eine, die eben einen herrlichen Zaubertrunk genossen hat, fühlte sie sich in Sicherheit und gab sich der Illusion hin, sie empfange mehr Liebe, als sie gab. Sie machte Überschuss. Das unerträgliche Gefühl innerer Leere wich, sie fühlte sich endlich erfüllt. Leider war diese Wirkung nur von kurzer Dauer. Sie musste alsbald ein neues Mittel finden, um die Blicke auf sich zu ziehen. Und auf ihre Weise gelang ihr das auch.

N ach der Pariser Episode ließ sich Luisa endgültig in Venedig nieder, dem Ort des Stelldicheins all derer, die aus dem Leben ein Fest zu machen verstanden, und das passte ihr ganz ausgezeichnet. Sie erwarb den Palazzo Venier dei Leoni. «Venier» nach früheren Besitzern, und «Leoni» wohl wegen der beiden steinernen Löwen, die die Terrasse zum Canal Grande hin hüten, es sei denn, in früheren Zeiten hätten gezähmte Löwen hier residiert. Die Venezianer nannten ihn den unvollendeten Palazzo, «il palazzo non finito», denn der Bau war nie weiter als bis zum ersten Stock gediehen, sodass das Gebäude, breiter als hoch, wie geköpft wirkt. Heute spazieren die Besucher hindurch und bewundern die Malereien von Pollock und Picasso: Peggy Guggenheim, eine weitere unabhängige und reiche Frau und Kunstsammlerin, hat einige Zeit nach Luisa hier gelebt und das Haus zu einem Museum gemacht.
    Wie alle anderen Touristen gingen auch Caesar und ich ins Guggenheim, im feuchten Sonnenschein, in dem zu spüren war, wie die durchdringende Kühle des Wassers aufstieg, in diesem ganz speziellen Winterlicht von Venedig. Ich erinnere mich an die zahllosen Fenster zum Kanal. Die Hände im Rücken verschränkt, wandelte ich, ohne es zu wissen, auf den Spuren der Frau, die Jahre später die Heldin eines meiner Romane werden sollte. Ich wusste ja nicht einmal, dass ich überhaupt jemals Romane schreiben würde. Ich schaute mir auch das Schlafzimmer an und würde heute gern daran glauben, dass ich ein Frösteln empfand, einen Ruf, eine Vorahnung. Stattdessen erinnere ich mich ausschließlich an diese Fenster und an den lautstarken Streit mit meinem Mann hinterher. Als großer Verfechter der zeitgenössischen Kunst sagte er, ich sei ungebildet und nicht würdig, eine Meinung über diese Kunstwerke abzugeben, deren Mehrzahl mich völlig unberührt gelassen hatte. Wir konnten kein Museum besuchen, ohne am Ausgang übereinander herzufallen. Er beschimpfte mich als rückständig und schulmädchenhaft, ich fand es ungerecht, dass er an meiner Intelligenz zweifelte.

    Luisa erwarb einen nicht nur unfertigen, sondern bereits wieder verfallenden Palast. Sie beschloss, das Äußere unverändert zu lassen. Die rissigen, von Efeu überwucherten Wände entsprachen ihrem romantisch-morbiden Geschmack. Das Innere hingegen gestaltete sie grundlegend um, unter reichlichem Einsatz von importiertem Marmor und Jaspis, von Handwerkern, Vergoldern und Stuckateuren. Sie gab ein kleines Vermögen dafür aus, was den Nachbarn Stoff für Klatsch und Tratsch lieferte. Nach Beendigung der Arbeiten ließ sie ihre Windspiele kommen, ihre Paradiesvögel, Zwergaffen und als Bewohner des Gartens ein Paar Geparden, die erregten sogar in Venedig Aufsehen. Mit ihren kleinen Köpfen und den schwarzen Tränenflecken neben den Augen, die das Kinn betonen wie das einer Gliederpuppe, konnten diese dunkel getupften Großkatzen mit scharfen Reißzähnen ihrer Eigentümerin keine Angst machen. Luisa umgab sich gern mit ihnen. Sie engagierte einen Gondoliere in Vollzeit und dazu einen gewissen Garbi, einen riesenhaften Nubier, neben dessen massivem Kreuz die Gestalt seiner Arbeitgeberin nur umso feingliedriger wirkte. Es war einer ihrer liebsten Zeitvertreibe, sich – gewandet in eine ihrer großartigen Roben aus grünem Damast oder johannisbeerrotem Brokat – von Garbi, dem ein Äffchen auf der Schulter saß, in der Gondel spazieren fahren zu lassen, von einem Schirm aus vielfarbigen Papageienfedern überwölbt. Wenn sie unter einer Brücke durchfuhr, klatschten die Gaffer Beifall. Luisa fand, für ihren Palazzo wäre nichts schöner

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