Der Zauber der Casati
feingliedrigen Händen und ausgesprochen affektierten Bewegungen hatte die Rolle der Assistentin des texanischen Journalisten übernommen. Sie sollte uns Kaffee und Macadamia-Nüsse servieren. Stumm wartete sie auf den entsprechenden Wink und trug dann mit kleinen Schritten ein Silbertablett herbei, gesenkten Kopfes, als handele es sich um Opfergaben und wir wären Götter. Sie lernte im Actors Studio. Zwei Tage lang brachte sie uns das Tablett mit derselben Hingabe, ohne mit der Wimper zu zucken. Wir waren also drei Schauspieler, und Henry war Regisseur, Kameramann, Toningenieur und Beleuchter in einer Person. Zwischen zwei Aufnahmen mussten wir jedes Mal lange warten.
«Lights!» Es war heiß unter den Spots, wir waren überbeleuchtet. «Camera!» Ich erinnere mich an das Geräusch des abspulenden Films, ein mechanisches Schnurren. Wie Atemzüge. «Action!» In einem «Studio» von zwanzig Quadratmetern mochte das alles lächerlich wirken, doch gemessen an dem Feuereifer des Regisseurs war in diesen Momenten die Metro-Goldwyn-Mayer zum Greifen nah. Wir glaubten alle daran, der alte Beau aus Schatten der Leidenschaft , die Studentin mit ihren Kaffeetassen und ich, die ich mir vorkam wie Grace Kelly und Ingrid Bergman in einer Person.
Nach jedem Take schloss Henry sich in seinem Badezimmer ein, um die belichteten Filme umzuspulen. Zwischen Toilette und Badewanne hatte er eine behelfsmäßige Dunkelkammer eingerichtet. Er war unterfinanziert und hoch motiviert.
Ich weiß nicht mehr, wie oft wir diese verfluchte Szene gedreht haben. Mal entfielen dem Journalisten seine Fragen, mal sprach ich zu schnell, mal wollte Henry die Szene noch einmal auf Französisch drehen. Bei diesem Vorschlag wurde der alte Schauspieler blass, denn um die Rolle zu ergattern, hatte er seine Sprachkenntnisse reichlich übertrieben dargestellt. Sein Französisch beschränkte sich auf «Bonjou mademouizel j’aiime Pawis et la Mouline Wouge». Also meinte Henry, die Fragen sollten englisch bleiben, die Antworten in einem etwas hysterischen Französisch gehalten sein. Kurz, es war ein einziger großer Blödsinn.
Und dann war da der Schoßhund. Ein winziger Malteser. Henry hatte in sämtlichen Zeitungen Anzeigen geschaltet und eine Wahnsinnszeit damit verbracht, dieses seltene und selten dämliche Vieh aufzutreiben. Der Gewinner des Castings war ganz besonders klein, schneeweiß und weich wie ein Plüschtier, sein Frauchen eine platinblonde Tussi, die dem Hündchen unerhört viel Zeit und eine krankhafte Liebe widmete. Sie redete über ihn und sich wie über ein Ehepaar und stellte all ihr Tun und Lassen auf die angeblichen Bedürfnisse des Wauwaus ab, dem das vollkommen schnurzpiepe war. Es wäre Henry lieber gewesen, sie hätte uns in Ruhe arbeiten lassen, doch da der Hund ganz sicher in Tränen ausgebrochen wäre beim Anblick, wie sie fortgeht, hatte sie ihre Anwesenheit während der gesamten Dreharbeiten zur Bedingung gemacht. Sie bezweifelte sogar stark, dass Tchitchi bereit wäre, auf meinem Schoß zu sitzen, und als sie mit ansehen musste, dass das dem Hund genauso egal war wie sein erstes Flohhalsband, glaubte ich, gleich würde sie losheulen. Sie verlangte Drehpausen, damit das Tier sich ausruhen konnte. Tchitchis Rolle bestand darin, während des Interviews still auf dem Sofa zu sitzen. Kaum kam das Tablett zum ersten Mal, da machte er sich darüber her, ohne dass wir es bemerkten, und wäre fast an einer Macadamia-Nuss erstickt. Die Besitzerin schrie los, wir brächten ihren Tchitchi um, und noch einmal mussten wir von vorn anfangen. Henry selbst musste sie in den Arm nehmen, um sie zu beruhigen. Ich mache Witze, dabei wäre uns der idiotische Kläffer um ein Haar tatsächlich gestorben. Als Hommage an die Marchesa Casati war Henry auf die Idee verfallen, den Hund ans Ende der Boa zu tun, wo er mit den Federn verschmelzen und sie irritierend lebendig wirken lassen sollte. Diesmal hatten wir fast die gesamte Szene im Kasten … Ich konzentrierte mich auf meinen Text und achtete nicht weiter auf Tchitchi, da rief ein gellender Schrei uns in die Realität zurück. Vor lauter Langeweile hatte der Köter nichts Besseres zu tun gehabt, als die Boa anzugreifen, und jetzt drohte er tatsächlich an einer Feder zu ersticken. Die Blondine sprang ins Bild und rettete ihren Liebling aus letzter Todesnot, sodass dieser Drehtag mit Geschrei und Geheule endete.
Den Film habe ich nie gesehen. Ich weiß nicht einmal, ob Henry ihn überhaupt
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