Der Zauber der Casati
oder andere Abenteuer, doch unterhielten die beiden Frauen einen ernsthaften, tiefgründigen Austausch von Liebesbriefen.
Luisa also sandte eine Einladung in die Villa Cercola. Romaine schlug sie aus. Und das Spiel begann. Luisa mit ihrer ärgerlichen Tendenz zu denken, mit Geld lasse sich alles kaufen, bestellte ein Gemälde. Romaine weigerte sich. Mittlerweile waren die beiden Frauen sich bei Fersen begegnet. Was gefiel der Casati? Dass man ihr widerstand? Romaines Persönlichkeit? Luisa fragte sie nach den Gründen für ihr Sträuben. Die Malerin behauptete, sie habe keine genügend große Leinwand. Spürte Romaine die Gefahr? In ihrer ruhigen Zurückgezogenheit hatte sie keine Lust auf den Kontakt zu einer Frau wie meiner furchteinflößend ungestümen Marchesa mit ihrem teuflischen Ruf als Gesellschaftslöwin und Opiumsüchtige. Doch die Gegenwehr stachelte Luisas Begehren erst recht an. Sie schlug vor, man könne sie ja auf Stoff oder eine Holztafel malen. Da die Malerin ihr Atelier in der Villa Cercola nicht verlassen wollte, erklärte Luisa, sie werde sich dorthin bemühen, auch dreimal pro Woche, wenn nötig. Jetzt gingen Romaine die Argumente aus, und sie behauptete, sie male nur noch Akte. Na ja, was denn, dann würde Luisa sich eben ausziehen. Sie konnte ihr sogar weismachen, damit tue sie ihr einen großen Gefallen, denn das habe sie noch für niemanden getan. Und Romaine, die van Dongens Bilder nicht kannte, glaubte ihr. Glaubte und willfuhr ihr. Als sie das Porträt begann, schrieb Brooks ihrer Gefährtin nach Paris, die Marchesa sei «höchst enthusiastisch». Und sie fügte hinzu, sie fürchte die Last der Arbeit und die Verpflichtung des Werkes ein wenig. Fürchtete sie nur das? Dabei war Luisa gar nicht ihr Typ Frau.
Aber Romaine war es, die als Erste erlag. Luisa hingegen bekam es nicht mit. Als Romaine sie schon liebte, wollte Luisa sie noch verführen. Anfangs agierte sie dabei unbeholfen, bald hektisch, bald betäubt durch die langen Nachmittage auf d’Adelswärd-Fersens Diwanen, auf halbem Wege zwischen Orgasmus und Koma. Das latente, ungestillte Begehren ließ sie reizbar werden. Lag es daran, dass sie so einsam war? Reizte sie die Vorstellung, eine lesbische Erfahrung zu machen? Romaine hatte sich anfangs geweigert, sie zu malen. Vielleicht löste dieser Umstand Luisas Begehren erst aus.
Ich glaube nicht an homosexuelle Liebe. An heterosexuelle auch nicht. Ich glaube an die Liebe ungeachtet des Geschlechtes der Person, die liebt und geliebt wird. Ich glaube, wenn ich eine Frau lieben würde, dann genau so, als wäre sie ein Mann. Ich denke nicht, dass je nach Geschlecht verschiedene Verführungsmethoden angebracht sind. Ob Mann oder Frau, ob Jüngling oder Greis, verführen bedeutet schöne Augen machen, Charme entwickeln, verzaubern – und dann plötzlich zum Angriff übergehen. Verführen, das heißt den anderen übersehen, um ihn umso sicherer ins Netz zu locken, es heißt spielen, so tun als ob, heucheln und sich verstellen, dem anderen Dinge zu Gefallen zu tun, um ihm zu gefallen, ihn in den Bann zu schlagen. Die Verführung ist ein Spiel der Zurschaustellung und der Faszination, das den Zweck hat, den geliebten Menschen blind zu machen. Verführen heißt missbrauchen, um vertraut zu machen, blenden, um in die Irre zu leiten, täuschen, um zu erobern.
Luisa, die bis zum neununddreißigsten Lebensjahr nie Liebe erlebt hatte, wollte, dass Romaine sie begehrte. Zum ersten Mal musste sie ihre armseligen Waffen hervorholen, deren Gebrauch sie so wenig geübt hatte. Um Verführung war es mit ihrem Mann nie gegangen, Gabriele war ohne weitere Umstände über sie hergefallen, die beiden anderen hatten sich nicht mal die Mühe gemacht, so zu tun, als wären sie in sie verliebt, und sie hatte es auch gar nicht verlangt. Doch jetzt, nackt im Atelier stehend, unterm kalten Blick der Malerin, versuchte sie schön und imposant zu sein, nur machte sie ihre Angst, wieder einmal zurückgewiesen zu werden, verletzbar. Romaine spürte diese Verwirrung und hielt Distanz, was Luisa nur noch mehr zur Verzweiflung brachte. Sie fing an zu reden. Sie, sonst so still, wenn sie sich der Verehrung ihrer Umgebung sicher war, verwickelte sich in verschlungen-abenteuerliche Geschichten, um ihre Originalität, ihre Abgeklärtheit der Welt gegenüber zur Geltung zu bringen. Zurück in der Villa San Michele, überdachte sie ihre Ergüsse und fand sich zum ersten Mal dumm. Sie konnte ja nicht wissen, was Romaine
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