Der Zauber der Casati
einherstolzierend, um noch schöner zu sein, mit ihrer Clownsschminke, die ihr half, das Gesicht zu wahren, konnte sie den süßlichen Geruch des Terpentins schon riechen. Es würde sein wie in der guten alten Zeit. Sie hatte Reispuder mit Mehl gestreckt und sich das Gesicht weiß bestäubt, und da sie nicht mehr genug Geld hatte, um sich auf dem Schwarzmarkt Kajal zu beschaffen, benutzte sie eine Mischung aus Schuhcreme und Kohle, um ihre großen, müden Augen zu umranden. Und Augustus machte sie schön, er verwandelte sie in eine strahlend-finstere Spanierin à la Goya. Freilich ist das Bild nicht eines seiner besten, die Pinselstriche sind ein wenig verzittert, auch er war alt geworden. Doch da ist die schwarze Katze auf ihrem Schoß, ihr flammender Blick unter dem Gesichtsschleier, da sind ihre platinblonden Haare, die vor einem Gewitterhimmel leuchten, und ich bin sicher, sie selbst war davon hingerissen.
I n London hatte Caesar mir Wildlederstiefel in einem sehr blassen Hellblau geschenkt. Sie hatten einen kleinen Absatz und liefen spitz zu wie die Schuhe eines Kobolds. Ich hatte sie im Schaufenster gesehen, hatte sie hübsch gefunden, aber gedacht, es wäre allzu unvernünftig, sie zu kaufen. Hellblau, das passt nicht zu vielen Sachen, es wird leicht schmutzig, schon gar in Wildleder. Er hatte keine Sekunde lang gezögert. «Sie gefallen dir? Wir nehmen sie!» Die Tüte des Geschäfts hatte zwei Henkel, er setzte sie sich auf den Kopf wie eine Haube. Am Oxford Circus trug er meine Schuhe, und ich hielt ihn bei der Hand. Ich war glücklich wie ein kleines Mädchen, das die Puppe seiner Träume bekommen hat. Es war kein teures Geschenk, meine Freude war ganz rein und kindlich. Ich habe diese Stiefel viel getragen, habe sie sorgfältig gepflegt. Ich reinigte sie mit einem sauberen Schwamm, und einmal, als es regnete, schützte ich sie sogar mit Plastiktüten. Irgendwann aber waren sie verbraucht, und ich musste sie wegwerfen. Merkwürdig, ich erinnere mich überhaupt nicht an den Tag, als ich das tat. Ich weiß nicht einmal mehr, ob es mir leidtat oder ob ich sie ohne weitere Gemütsbewegung entsorgte.
Wenn ich in meinem Tagebuch lese, Caesar und ich hätten wunderbar miteinander geschlafen, treibt mich das zur Verzweiflung, denn ich erinnere mich nicht daran. Ich glaube, ich mochte seine Haut nicht besonders, und seine Haare auch nicht. Er verwendete allabendlich eine Lotion gegen Haarausfall, aber die Geheimratsecken schritten trotzdem voran. Die schütteren vorderen Haare klebte er mit Gel über die hinteren, um die Löcher zu verdecken, und doch war er zum Sterben schön. Manchmal muss ich mich daran gemahnen, dass ich ihn vor dem großen Verfall kennengelernt habe, bevor der Alkohol sein Gesicht auftrieb, bevor das Türkisblau seiner Augen unter schweren Lidern verschwamm, bevor alle Haare ausfielen und sein athletischer Körper schwammig wurde. Er war so schön, dass die Frauen auf der Straße stehenblieben. Mit offenem Mund. Oft hat mich seine Schönheit getroffen wie der Blitz. Nicht nur beim ersten Mal, als er ein schlabbriges Trägershirt und Lederhosen trug und einfach so richtig Klasse hatte. Und einen Blick wie der Teufel. Einen so intensiven Blick, der dich an Ort und Stelle auszog. Ein Mann wie aus der Modezeitschrift. In meinem Bett. Ein schlechter Liebhaber. Irgendwann hatte ich aber seine körperliche Schönheit vergessen, man gewöhnt sich an alles im Leben. Ich erinnere mich, wie er nach Italien reiste, nach Perugia, um ein obskures Diplom zu erlangen – ich hatte ihn dazu getrieben –, und ich ihn überraschend besuchte. Ich kam einen Tag früher als geplant, klingelte an der Sprechanlage, er drückte, und auf der Treppe beim Hochgehen traf ich ihn; er knöpfte sich gerade das Hemd zu, war ziemlich verstrubbelt und wollte wohl diesem geheimnisvollen Besuch entgegengehen. Ich erkannte ihn erst nicht, es war wie ein Schock, ich weiß nicht mal mehr, was ich beim Anblick dieses braungebrannten Mannes mit den horizontblauen Augen dachte; es war mein Ehemann, und ich bemerkte es nicht. In Sekundenbruchteilen verliebte ich mich in den Unbekannten, der mir entgegenkam.
Ich nähere mich dem Ende eines Buches, in dem ich von einer missratenen Muse erzählen wollte. Ein lebendes Kunstwerk zu werden, das schafft nicht jeder. Auch über meine Scheidung wollte ich schreiben. Heute weiß ich nicht mehr warum. Das Leben ist schlecht eingerichtet. Ich war nicht mehr wütend auf Caesar. Ich wollte
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