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Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman

Titel: Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Cossé
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von B. von Stadt zu Stadt gezogen bin? Sie erinnern sich, ich sollte sterbende Buchhandlungen wieder in Schwung bringen. Es stimmt, dass die Bestände für kleine Summen aufgekauft wurden.« Ja, es stimmte, dass Ivan nie mehr als ein halbes Jahr in ein und derselben Stadt geblieben war. Dass sich das Verhältnis zu seinem Arbeitgeber verschlechterte – »Er hat mich ohne einen Sou vor die Tür gesetzt!« – und dass Van seinen Wagen eines Nachts in Briançon als Rammbock benutzte, um sich wertvolle Bücher anzueignen. »Komischerweise haben mir diese Schnüffler nichts aus meiner Zeit als Comic-Händler, die sich direkt an den Einbruch anschloss, angehängt. Dabei war diese Phase eine Fundgrube für Fakten, die man leicht mit ein paar Bemerkungen und Unterstellungen hätte verdrehen können.
    Und zum guten Schluss die Türkei. Was das angeht, muss ich Sie um Entschuldigung bitten. Ich habe Ihnen einiges verschwiegen.«
    Es stimmte, dass er im Gefängnis gesessen hatte. Fast ein Jahr lang. Unter schrecklichen Bedingungen. Er erinnerte sich ungern an diese Zeit. Es stimmte nicht, dass er mit irgendetwas, was auch immer, illegal gehandelt hätte. »Ich lebte von meinen Ersparnissen und wollte nach Frankreich zurückkehren, wenn ich nichts mehr übrig hätte. Unnötig zu erwähnen, dass man mir im Knast alles abgeknöpft hat. Und der Grund für die Inhaftierung? Es gibt nichts Banaleres und Erbärmlicheres. Ich bin nicht stolz darauf. Ich hatte Cannabis in den Taschen. Offen gestanden hatte ich schon seit Jahren immer welchen bei mir.«
    Während sie ihm zuhörte, hatte auch Francesca aus dem Fenster gesehen.
    »Was sollen wir tun?«, fragte sie. »Ich persönlich bin in solchen Fällen immer dafür, die Justiz einzuschalten.«
    »Mein Stil ist das nicht«, sagte Van. »Je weniger ich mit der Polizei und den Gerichten zu tun habe, desto lieber ist es mir. Altes Vorurteil eines Fliegengewichts und späten Anhängers der Achtundsechziger. In diesem Fall glaube ich, eine Anzeige würde diesem Tratsch nur noch mehr Gehör verschaffen.«
    »Ich sehe das ganz anders«, erwiderte Francesca. »Einen Anwalt nehmen und die Justiz in Anspruch zu nehmen, ist mir immer als die einfachste und eigentlich auch normale Lösung erschienen. Mein Großvater wurde im Laufe seines öffentlichen Lebens oft diffamiert, und er ließ niemandem ein falsch gewähltes Adjektiv durchgehen. Henri hat immer ein, zwei Prozesse laufen. Und im Allgemeinen gewinnt er sie.«
    »Ich glaube in diesem Fall nicht an den Segen der Justiz«, wandte Van ein. »Überlegen Sie doch: vage Unterstellungen im Zusammenhang mit Vorgängen von vor fünfzehn oder zwanzig Jahren, die zum Teil auch noch in der Türkei stattfanden … Eine gerichtliche Untersuchung würde nur im Sande verlaufen.«
    Es klang sehr bitter.
    »Jetzt werden Sie denken«, fuhr er fort, »dass ich Sachen vor Ihnen verbergen will, die noch schlimmer sind als die Erfindungen dieser Idioten.«
    »Glauben Sie das nicht, Van, bitte. Wenn Sie mein Freund sind, schlagen Sie sich das aus dem Kopf.«
    Ivan musste ein paar Stunden über das Ganze nachdenken. Er kehrte in die Buchhandlung zurück und zwang sich, dort weiterzuarbeiten. Doch die ermutigenden Worte der Kunden, die oft nur gekommen waren, um mit ihm zu sprechen, taten ihm nicht nur gut, sondern auch weh. Er ging hinauf, um allein zu sein.
    Im Büro öffnete er eine Mail von Anis, die sie ihm mittags geschickt hatte. Sie erzählte ihm darin, sie habe ihm, nachdem sie den Artikel in Le Poing gelesen habe, einen Brief in seinen Briefkasten in der Rue de l’Agent-Bailly werfen wollen. Und ihr sei die Straße gleich anders als sonst vorgekommen, belebter. Passanten hätten vor Anschlagzetteln gestanden, und da habe sie es begriffen. Die drei Seiten aus dem Poing waren in dreißig Exemplaren zu beiden Seiten der Straße auf Augenhöhe an die Mauern geklebt worden. Es ist nichts mehr davon übrig , schrieb Anis. Sie haben nicht lange da gehangen, ich habe sie alle abgerissen. Deshalb weiß ich auch so genau, wie viele Exemplare es waren.
    Wo sind Sie? , fragte Ivan. Er bekam keine Antwort.
    Sein Entschluss war gefasst. Er würde im Internet auf die Verleumdungen reagieren. Das erschien ihm der einfachste und schnellste Weg. Er verbrachte anderthalb Stunden damit, die von den Pseudo-Investigativ-Journalisten des Poing verzerrten Fakten in eine genaue zeitliche Reihenfolge zu bringen.
    Name: Georg. Vorname: Ivan
    Geboren am 5. September 1959 in

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