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Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman

Titel: Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Cossé
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bisschen weniger kaufen – das lässt sich nicht überprüfen. Wer weiß, vielleicht sind es auch dieselben Kunden, die nur häufiger kommen und ihre Käufe mehr verteilen. Um das genau herauszufinden, müssten wir jedem verkauften Buch auch den Käufer zuordnen können. Das geht jedoch nur, wenn mit Kreditkarte oder Scheck bezahlt wird, und achtzig Prozent der verkauften Bücher werden bei uns bar bezahlt.«
    Die Konflikte, die Der gute Roman hervorgerufen hatte, und deren wochenlanger Widerhall in den Medien hatten den Nebeneffekt, dass der zugrunde liegende Gedanke und das Prinzip der Buchhandlung auch das Interesse ausländischer Romanliebhaber weckten, die nun ihrerseits über ein solches Unternehmen nachdachten. Im April kamen Anfragen aus Berlin, Mailand und Buenos Aires. Sehr präzise Anfragen – Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Cashflow – von Privatleuten, die praktisch schon entschlossen waren, in ihrer jeweiligen Stadt eine ähnliche Buchhandlung zu eröffnen.
    Van war misstrauisch.
    »Alles, was wir verraten, kann gegen uns verwendet werden. Ich habe wenig Lust, darauf zu antworten. Die wissen doch schon genug, um sich ins Abenteuer zu stürzen.«
    Francesca hingegen freute sich, dass Der gute Roman Ableger zu bekommen schien.
    »Aber wir haben doch von einer echten Bewegung geträumt, einer Umwälzung im Verhalten der Buchkäufer, und jetzt haben wir es erreicht! Stellen Sie sich doch vor, wie es wäre, wenn es in jeder Großstadt einen Guten Roman gäbe! Welche Umwälzungen damit verbunden wären!
    Und außerdem, haben Sie es etwa schon vergessen? In der Woche in Méribel, als wir jeden Abend über unsere Traumbuchhandlung nachdachten, kam uns auch der Gedanke, dass es eigentlich eine englische Buchhandlung dieser Art in England, eine italienische in Italien, eine deutsche und eine spanische geben müsste, jeweils mit einer anderen Auswahl, die auf einen bestimmten Sprachraum und ein bestimmtes literarisches Erbe konzentriert wäre, so wie bei uns das französischsprachige Sortiment im Vordergrund steht.«
    Sie fand es nicht gefährlich, mit X oder Y über die Funktionsweise ihrer Buchhandlung zu diskutieren.
    »Natürlich halten wir geheim, was geheim bleiben muss.«
    Van stimmte unter der Bedingung zu, dass sich die betreffenden Interessenten nach Paris bemühten, damit sie sie kennenlernen und auch etwas über sie erfahren konnten.
    »Damit wir wissen, ob es Brüder sind.«
    Jener Tag Mitte April, als er sich von Francesca überzeugen ließ und ihren Argumenten und ihrer Begeisterung nachgab, als das Wort »Brüder« noch in der Luft hing, in einem plötzlich eingetretenen und etwas langen Schweigen, war der Tag, an dem Van, als er den Blick hob, Francescas ängstliche Augen auf sich gerichtet sah und sie fragen hörte: »Van, ist Ihnen klar, dass ich Sie nicht mehr als Kompagnon betrachte?« An jenem Tag erzählte er ihr zum ersten Mal von Anis und sagte, es sei eine komplizierte Geschichte, und er wisse nicht, wohin sie ihn führen werde. Francesca sah aus wie ein ertapptes Kind – und schön, unglaublich schön in ihrem Kleid aus einem leichten, fein genoppten, fast weißen Wollstoff. Sie fasste sich, sagte etwas, das Van nicht ganz verstand, wechselte das Thema und sprach von der Möglichkeit, Anis anzustellen. »Ich frage sie«, sagte Van.
    Er tat es nicht am selben Tag. Auch er war in den Stunden nach diesem Gespräch noch ziemlich verwirrt. Er sah Francescas ängstliche Augen noch vor sich, hörte die Worte, die sie sagte, als sie sich zu fassen versuchte, und die er nicht recht verstand: »Und glauben Sie vor allem nicht, dass ich irgendetwas von Ihnen erwarte.« Ihr Angebot, Anis einzustellen, passte genau zu ihrer Art, fast übertrieben großzügig und rührend. Zweideutig? Nein, fand Van.
    Er wusste bloß nicht, wie er dieses Angebot übermitteln sollte, ohne dass Anis daraus schloss, er habe mit Francesca über sie gesprochen. Wie würde sie es aufnehmen? Sie schien Francesca gegenüber gemischte Gefühle zu hegen. Van erinnerte sich an ihr »Jaja, eine Fee«. Sollte er vage bleiben und ihr einfach sagen, dass der Vorschlag von Francesca kam? Doch wenn Van ihr einfach so erzählen würde, man brauche jemanden in der Buchhandlung und er hätte sie vorgeschlagen, dann würde Anis auf dem Absatz kehrtmachen. Van hörte sie schon: »Wer sagt, dass ich Arbeit suche?«
    Sie ließ systematisch lange Zeiträume zwischen ihren Treffen verstreichen. Sie wollte ihn nur sehen, wenn sie

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