Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman
Sie verleumdet, bestätigt es nur. Lassen Sie sich nicht unterkriegen. Und nicht: Ich träume davon, in Ihren Armen zu liegen. Nein.
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A n den folgenden Tagen befasste sich die Presse weiterhin mit Ivans Lebenslauf, fast immer nach demselben Schema, das heißt, indem die Anschuldigungen des Poing Punkt für Punkt der Verteidigung der »Buchhändler« gegenübergestellt wurden. Jedes Mal ging es ganz offensichtlich zuungunsten des Poing aus. Wie immer in solchen Fällen war derjenige, der am meisten unter der Sache litt, Van – Vans Bild in der Öffentlichkeit und mehr noch das Bild, das er von sich selbst hatte.
In diesen Tagen erhielt Der gute Roman Sympathiebekundungen jeglicher Art, Briefe, Mails, Faxe, Blumensträuße, aufmunternde Klapse auf die Schulter, Händedrücke.
Iannis Arban, der Filmemacher, den man in der Buchhandlung nie gesehen – oder nie erkannt – hatte, gab ohne jegliche Vorwarnung einen Kommentar in L’Idée ab. Er zog eine Parallele zwischen dem Ärger, den Der gute Roman zu ertragen hatte, und dem von François Masperos Buchhandlung La Joie de Lire in den Siebziger- und Achtzigerjahren. »Jede Generation erlebt die Geburt einer Buchhandlung, die sich von den anderen abhebt«, schrieb er. »Wahrscheinlich entwickelt diese dann eine zu große Anziehungskraft und hat zu viel Erfolg. Das macht sie bald zum Ziel von – nicht selten ziemlich dumpfen – Frontalangriffen. […] Es sind einfach zu viele, die sie zur Strecke bringen wollen. Die Verschwörung der Mittelmäßigen mit den Neidern stützt sich auf die Kraft Unzähliger. […] Masperos Buchhandlung wurde zerstört. Lassen wir nicht zu, dass auch Der gute Roman zerstört wird.«
Und so strahlend Ivan auch bei jeder dieser aufmunternden Gesten lächelte, es hatte ihn tiefer und heftiger getroffen, als er selbst glaubte. Francesca wusste es und litt darunter. Eine Art Traurigkeit hatte sich auf sie beide gelegt, die nicht sichtbar wurde, wenn sie getrennt waren, sich aber zu verdichten schien, sobald sie zu zweit waren. Dabei bemühten sie sich weiß Gott beide, es zu verbergen, und schlugen stets einen kämpferischen und verbissen fröhlichen Ton an.
Dann kam ein Einschreiben von einer großen Anwaltskanzlei. Der Verlag Nada vertrat über seinen Anwalt, Maître Kipper, zwei Seiten lang und mit Nachdruck die Auffassung, das Handelsgebaren der Buchhandlung Der gute Roman komme einer Verkaufsweigerung gleich, und forderte den Direktor »oder dessen üblichen Berater« auf, sich binnen acht Tagen mit diesem Herrn Kipper in Verbindung zu setzen, andernfalls werde sich dieser frei fühlen, alle rechtlichen Schritte zu unternehmen, die ihm zur Wahrung der Interessen seines Mandanten geeignet erschienen.
»Ach, die sind auch schon aufgewacht?«, sagte Francesca. Sie fand, man solle diese Aufforderung mit Verachtung strafen und gar nicht erst reagieren. »Wir werden uns doch jetzt nicht um jeden Unsinn kümmern, der über uns gesagt wird.«
Van konnte sie dazu bewegen, ihren Standpunkt zu überdenken. »Mein üblicher Berater sind Sie«, sagte er. »Ich höre auf Sie. Aber wir haben tatsächlich kein einziges Buch von Nada, und es steht sehr zu vermuten, dass wir nie eins haben werden. Versetzen Sie sich in deren Lage.«
Er wartete neun Tage, dann antwortete er mit wenigen Zeilen. Der gute Roman habe sich nie geweigert, ein Buch zu verkaufen. Natürlich haben wir nicht alle lieferbaren Titel in der Buchhandlung vorrätig. Aber wir kennen unsere Pflichten. Wir bieten immer an, ein fehlendes Buch zu bestellen. Sie müssten uns erst beweisen, dass wir dies auch nur ein einziges Mal versäumt hätten. Alle bei Ihnen erschienenen Bücher können in unserer Buchhandlung gekauft werden.
Er wurde nicht mehr zu Fernsehauftritten eingeladen. »Es war ja auch Zeit, dass das endlich aufhört«, sagte er. »Gut, dass die Medien ihre Lieblinge nie länger als eine Saison hätscheln. Auch wenn man solche Einladungen gar nicht so ernst nimmt, sie rauben einem mehr Energie, als man glaubt. Selbst die Gedanken nimmt es sehr gefangen.«
Er fand seine Energie und seine Ausgeglichenheit wieder. »Wissen Sie was?«, sagte er Mitte April zu Francesca, »unsere Verkäufe gehen nicht zurück. Ich habe die Zahlen geprüft und verglichen, es gibt sogar einen Aufwärtstrend. Es kommen immer noch so viele Leute in die Buchhandlung wie früher, und auch der Verkauf im Internet ist stabil. Möglicherweise gibt es mehr Kunden als früher, die aber pro Kopf ein
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