also, dass ich Sie zur Messe begleite?«, fragte Ivan mühsam.
»Sie nehmen mich nicht ernst!«
»Aber ja doch, Rose. Rosette. Ich war noch im Traum. Ich stellte Sie mir mit einem kleinen Schleier und Zwirnhandschuhen vor. Wie spät ist es?«
»Fast neun Uhr. Habe ich Sie geweckt?«
»Kommt mir fast so vor. Und es überrascht mich mehr als Sie. So lange schlafe ich selten. Das gibt mir zu denken. Irgendetwas ist los. Ich habe festgestellt, dass ich in schwierigen Zeiten schlafe wie ein Murmeltier. Aber erzählen Sie mir von sich. Ich freue mich so, Ihre Stimme zu hören.«
»Später. Haben Sie Sorgen?«
»Ich weiß nicht. Nein. Vielleicht. Sie sagten, das große Café an der Place de la Sorbonne sei offen? Geben Sie mir eine Stunde, dann bin ich da.«
Er stellte sich die junge Frau immer größer und selbstsicherer vor, als sie war, doch an diesem Tag wirkte sie irgendwie wehrlos auf ihn.
»Ich wollte Ihnen sagen …« Sie holte tief Luft. »Dieser Streit um den Guten Roman … Es tut mir leid, dass man Ihnen so übel mitspielt.«
Nicht wehrlos, entwaffnend, dachte Van.
»Haben Sie die Zeitungen gelesen?«
»Nein, ich habe das Ganze im Internet verfolgt. Hat es in den Zeitungen angefangen?«
»Eigentlich auch nicht. Es kam aus verschiedenen Richtungen. Anfangs kamen diese Pseudobuchbesteller und machten uns das Leben schwer, dann zunehmend Angriffe aus dem Internet. Und dann ein, zwei, drei vernichtende Artikel in den großen Zeitungen.«
Anis hörte ihm gebannt zu. Am liebsten hätte er ihr Gesicht zwischen die Hände genommen.
»Ich wusste gar nicht, dass Sie im Internet surfen.«
Sie schlug einen außerordentlich falsch klingenden lässigen Ton an: »Bei mir gegenüber ist ein Internet-Café, da gehe ich oft hin.« Sie errötete. »Abends.«
Van hatte nicht mehr viel zu verlieren.
»Das wäre doch vielleicht ein Ort, an dem wir uns treffen könnten. Ich meine das Internet, nicht das Internet-Café. Haben Sie eine Mailadresse?«
»
[email protected].«
»Anis, die Freie, besser könnte man es nicht sagen. Ich werde es mit dieser Art von Briefen versuchen. Mails sind wie Wanderfalter und weniger geräuschvoll als meine Nachrichten auf Ihrem Anrufbeantworter. Dann sind Sie noch freier und können sie noch leichter unbeantwortet lassen.«
Van schrieb noch am selben Abend an
[email protected].
Ja, es ist eine schwierige Zeit. Wahrscheinlich hatten wir einen zu spektakulären Erfolg. Man will uns kleinkriegen. Anis, Sie mögen mich eigentlich nur, wenn ich schwach bin. Erst haben Sie bemerkt, dass mein Pullover ein Loch am Ellbogen hatte. Und jetzt sprechen Sie wieder mit mir, weil man mir übel mitspielt. Soll ich mir wünschen, dass ich ganz und gar in Misskredit gerate? Dem würde ich mit Freuden zustimmen, wenn Der gute Roman von meinem Ungemach unberührt bliebe. Was tun?
Ihr müder und besorgter alter Freund Corneille
Anis antwortete ihm am folgenden Abend, laut free um zwanzig nach neun.
Tatsächlich finde ich anders als die meisten Mädchen meines Alters nicht die Starken anziehend. Ich würde sogar sagen, ich haben einen Horror vor den Starken. Muss ich mir das vorwerfen lassen? Ich glaube, Der gute Roman ist für manche aus einem Grund unerträglich, der weit wichtiger ist als sein Erfolg: weil er eine Kehrtwende im Verhalten der Buchkäufer vorwegnimmt und andeutet. In der Geschichte ist es immer wieder vorgekommen, dass Gruppen von Menschen, die sich scheinbar mit einer Unterjochung abgefunden hatten, dieses Joch abwarfen. Fast immer, weil ein oder mehrere Agitatoren ihnen bewusst gemacht hatten, was auf ihnen lastete und dass sie sich davon befreien konnten. Wenn Sie sich von der Buchhandlung distanzieren, wenn Sie sich auch nur einen Hauch von ihr entfernen, werden wir uns nicht wiedersehen. Das habe ich schon einmal gesagt.
Chimène
Schon einmal gesagt? Vielleicht. Ivan würde später in seinem Gedächtnis wühlen. Er sah nur, wie sie unterschrieben hatte: Chimène. Sein Herz jubilierte. Chimène, die Zögerliche, die Unzugängliche, die Zwiespältige, die Widersprüchliche, Chimène, die ihre Arme dem öffnet, den zu sehen sie sich weigert, und die ihre Augen unter seinen Küssen schließt – wobei vielleicht Letzteres Ersteres erklärt.
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A n den Tagen darauf wurden Van und Oscar ständig auf die hier und da aufflackernden Angriffe aufmerksam gemacht. Die Presse ist ein Hallraum, um nicht zu sagen ein Tonstudio. Zeitschriften und Radiosender griffen dieselben Fragen auf, immer