Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman
Dozenten hatte sich übrigens auch beschwert –, sondern die Sekretärin eines Verlagszaren, eines meisterlichen Intriganten mit glänzenden Verbindungen, dessen Gunst sich auszahlen konnte und von dem schon seit Jahren bekannt war, dass er bei der Hälfte der Literaturpreise seine Hand im Spiel hatte. Eine Freundin von Heffner, selbst Autorin, hatte einmal, als er ein Buch in den Himmel hob, zu ihm gesagt: »Das ist doch nun wirklich schlecht.« – »Aber darum geht es doch nicht, meine Liebe«, war die Antwort gewesen.
Ivan und Francesca kannten mindestens drei Stars der Verlagswelt, auf die diese Beschreibung gepasst hätte. Heffner sagte ihnen nicht, wen er meinte. Aber er wies sie darauf hin, dass jemand, der bei einer Zeitung einen Artikel einreicht, nicht unbedingt dessen Verfasser sein muss. »Der betreffende Verleger hat übrigens gesagt, der Artikel sei nicht von ihm. Und ausnahmsweise glaube ich ihm. Zudem habe ich schon eine Idee, wer der Verfasser sein könnte.«
Das Kollektiv Freier Buchhändler, das im Februar in L’Idée über den Guten Roman hergefallen war, war lediglich ein Name. Die nur für diesen Zweck erfundene Maske eines Unterhaltungskünstlers, der im Fernsehen und Radio ein großes Publikum erreichte, der alles mitnahm, was er kriegen konnte, von mehreren Verlegern Honorare bezog, gern auch mal einen Roman schrieb und stolz darauf war, dass er dafür nicht mehr als vierzehn Tage brauchte.
Einer der Wandzeitungskleber war zufällig auf frischer Tat ertappt worden. Dank seiner sorgsam archivierten Aussage hatte Heffner den Auftraggeber aufgespürt.
Er habe auch die Informanten der beiden Le-Ponte -Journalisten gefunden, die den Artikel über Francesca geschrieben hätten, sagte er.
»Bitte keine Namen!«, wehrte Francesca ab.
»Sie haben doch sicher bemerkt, dass ich bisher keinen einzigen Namen genannt habe. Und dabei möchte ich vorerst bleiben.«
Er wisse, wer im Kabinett des Kulturministers die Rede geschrieben und wer die verschleierten Anspielungen auf die Buchhandlung hineingeschmuggelt habe.
Und er habe das Foto eines der jungen Männer, die Le Gall auf dem Steilfelsen von Plouec’h aufgelauert hatten.
»Das Foto?«, wiederholte Van.
Heffner hatte Le Gall mehr als zweihundert Bilder gezeigt. Und unter diesen Bildern war eines, auf dem Le Gall eindeutig einen der beiden Kerle identifizierte, die sich ihm mehrmals in den Weg gestellt hatten.
Woher die zweihundert Fotos kämen? Er habe sie nach einer bewährten Methode zusammengestellt, erklärte Heffner. Er hatte alle berücksichtigt, die in der Verlagsbranche ein Interesse am Verschwinden der Buchhandlung hatten. Grob gesagt all diejenigen, die voller Überzeugung Schund produzieren, weil sich damit am leichtesten ein Coup landen lässt. Die Linie des Guten Romans aber würde, sollte sie sich durchsetzen, solche Coups verhindern. Zusätzlich zu diesen Schundhändlern hatte er noch solche Leute auf die Liste gesetzt, die in deren Umfeld tätig waren, Chauffeure oder Wachleute, Angestellte eben, die man bei irgendwelchen dunklen Machenschaften einsetzen konnte.
Doch auf achtzig Prozent der Fragen gab es noch keine Antwort. Und es tauchten immer neue Fragen auf. Als Heffner am Tag nach dem Sabotageanschlag auf Scafs Fahrrad noch einmal zu dem Schuppen gegangen war, um über diese Sache nachzudenken, hatte er eine Kreideschrift vorgefunden, die tags zuvor bestimmt nicht da gewesen war: »Das gute Fahrrad.«
In der Provinz gingen Kriminalbeamte den drei Mordversuchen nach. Bald würde man wissen, wer Anne-Marie unmittelbar vor dem Unfall angerufen hatte. Heffner wollte außerdem noch ein wenig mehr über Frucht in Deutschland und Ruth in Amerika herausfinden.
Er setzte sehr aufs Internet. Jede Nacht verbrachte er viele Stunden in den verborgenen Winkeln des weltweiten Netzes. Vor allem suchte er nach einer Verbindung zwischen denen, die er als die »Aktiven« bezeichnete, doch bisher erfolglos. Er hatte nichts gefunden, was nach einer Organisation oder Gruppe aussah. Doch es war nur eine Frage der Zeit, dafür hätte er die Hand ins Feuer gelegt. Eines Tages würde er auf eine Liste stoßen, auf der mehrere Namen von Leuten stehen würden, die er bereits eingekreist hatte.
»Es gibt da einen Namen«, sagte er, »der mir auf meinen Wegen immer wieder begegnet ist, dabei habe ich weiß Gott viele unterschiedliche Spuren verfolgt. Das überraschte mich. Offenbar ist es jemand, der sich in sehr unterschiedlichen Kreisen
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