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Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman

Titel: Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Cossé
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defizitären Unternehmens. Ihr Anteil wird Ihnen genau ausgerechnet.«
    Van verstand nicht recht, ob es da um Soll oder Haben ging, aber das war ihm im Augenblick auch egal.
    »Ich bin fast sicher, dass Madame Aldo-Valbelli vorhatte, mich abzusichern«, sagte er.
    »In der Tat«, sagte der Notar, »so lange, wie Sie Geschäftsführer der Gesellschaft sein würden. Madame Aldo-Valbelli hatte jedoch den Fall der Auflösung dieser Gesellschaft und des Geschäfts nicht vorgesehen. Ich will es Ihnen erklären …«
    »Nicht nötig, ich hab schon verstanden«, unterbrach ihn Van.
    Sein Gefühl sagte ihm, dass er schnell handeln musste.
    »Könnten Sie Monsieur Doultremont in meinem Namen fragen, ob er bereit wäre, mir den Guten Roman zu verkaufen? Natürlich nicht die Räumlichkeiten, aber das übrige Geschäft.«
    »Selbstverständlich. An diese Möglichkeit hatten wir nicht gedacht, aber sie verdient eine genauere Prüfung.«
    Zwei Tage später kam die Antwort. Doultremont war bereit, mit Van zu verhandeln. Der Geschäftswert des Guten Romans betrug fünfhunderttausend Euro.
    »Trotz unserer finanziellen Schwierigkeiten?«, fragte Van.
    »Unter Berücksichtigung der Finanzlage«, bestätigte der Notar.
    Van rief zu einer Art Subskription auf, wieder im Internet. Delvaux hatte von einem befreundeten Juristen das Projekt einer Art Kooperative prüfen lassen. Die Satzung war bereits ausgearbeitet. Sie stand auf der Website des Guten Romans .
    Der Appell wurde rasch weiterverbreitet. Er erschien auf den meisten Kultur-Sites, in Blogs von Schriftstellern, Schauspielern und Politikern. Es gab sofort Unterstützung und zahlreiche Überweisungen. Der gute Roman bekam säckeweise Post. Mit mehr als achttausend Schecks. Nach sechs Wochen waren insgesamt hundertzweitausend Euro zusammengekommen, also ein gutes Fünftel der erforderlichen Summe.
    Ivan veröffentlichte die Zahl auf der Website. Er dankte allen. Die Kooperative sei zustande gekommen. Es würde weitere Spenden geben. Und in der Zwischenzeit wolle man einen Kredit aufnehmen.
    Eines Tages rief Armel Le Gall in der Buchhandlung an. Er war gerade auf der Gare Montparnasse angekommen. Ivan und er aßen in einer Crêperie in der Rue du Départ zu Mittag. Le Gall war verzweifelt. Er hatte seine »jährliche Tankreinigung« schon im Januar vorgenommen. Er hatte nun mal die Gewohnheit, das Jahr mit einer solchen Kontenbereinigung zu beginnen. Aber früher oder später würde er wieder flüssig sein. Nach drei Monaten Blockade hatte er wieder zu schreiben begonnen, an einem neuen Buch. Er konnte wieder frei atmen. Um das alte Thema war es nicht so schade. Er hatte gerade mit seinem Verleger gesprochen. Seine Seepferde sollten verfilmt werden. Er zog einen Umschlag aus der Tasche.
    »Sie tragen dann den Rest ein«, sagte er.
    Der Scheck entsprach dem halben Kaufpreis für den Guten Roman . Inzwischen war Oscar nicht faul gewesen. Er hatte sich beim Buchhändlerverband beraten lassen, mögliche Standorte geprüft, Räumlichkeiten mit erschwinglichen Mieten besichtigt. In Anbetracht ihres Budgets kamen drei Adressen infrage, eine in Besançon, eine in Caen und eine in Paris, in der Rue d’Hauteville.
    »Wo ist das?«, fragte Ivan. »Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass wir Paris verlassen.«
    »Im 10. Arrondissement. Eine belebte Gegend«, sagte Oscar. »Bei den großen Boulevards.«
    An der betreffenden Adresse war vorher ein Weinhändler gewesen.
    »Nur die besten Lagen«, sagte Oscar. »Im Augenblick ist guter Wein schwer abzusetzen. Das Ladenlokal hat eine passable Größe. Ich glaube, man könnte etwas daraus machen.«

58
    W ir haben etwas daraus gemacht. Wir brauchten nicht einmal einen Monat, um uns einzurichten. Es waren gar nicht so viele Umbauarbeiten nötig. Ich weiß nicht, was an dem Tag, als wir den Schriftzug DER GUTE ROMAN über dem kleinen Schaufenster anbrachten, bei uns überwog: Stolz, Sorge oder Enttäuschung, weil die Buchstaben so viel kleiner waren als in der Rue Dupuytren.
    Wir fürchteten, Doultremont könne in den schönen Räumen, die wir verließen, eine ganz gewöhnliche Buchhandlung einziehen lassen. Doch wir haben inzwischen erfahren, dass dort ein Geschäft für Unterhaltungselektronik eröffnet werden soll und dass Doultremont Frankreich verlassen hat und jetzt in Brüssel lebt.
    Der gute Roman macht einen zweiten Anfang in der Rue d’Hauteville. Die Kundschaft ist nicht mehr ganz dieselbe. Seltsam, denn die Stadt und das Sortiment sind

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