Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman
wieder sinken. Eine Film-Choreografie hätte als Nächstes eine erneute Annäherung der beiden Körper vorgesehen – und dieses Mal bis hin zu einer engen Umarmung. Doch da Francesca seine Hände losließ und noch weiter zurücktrat, sagte sich Van, vermutlich sei es Aufgabe des Helden, die Initiative zu diesem dritten Schritt zu ergreifen, und schwor sich, wieder ins Kino zu gehen, sobald die Buchhandlung ohne ihn liefe.
»Wir müssen unbedingt noch einmal unter vier Augen miteinander sprechen«, sagte er in einem Ton, der zerknirscht klingen sollte, aber so viel Bedauern enthielt, dass ihm, auch dies ein wenig spät, bewusst wurde, wie zweideutig auch seine Äußerungen klingen konnten.
Das kleine Ballett hatte keine zwanzig Sekunden gedauert. Oscar stand da, schwankend wie ein träumendes Kind. Francesca umarmte ihn wie eine große Schwester, so kameradschaftlich und unzweideutig, dass Van, weit davon entfernt, eifersüchtig zu sein, sich an dem Gedanken freute, selbst nie ein solches Küsschen auf die Wange gedrückt bekommen zu haben, von der Sorte, die zu nichts verpflichtet und sogar absolut klarstellt, dass mit weitergehenden Zärtlichkeiten nicht zu rechnen ist.
»Ein Fest«, sagte Francesca und breitete die Arme aus.
»Mit einem idealen Ausklang«, sagte Van.
»Der am frühen Nachmittag improvisiert wurde. Als ich sah, was hier vor sich ging, dachte ich, wir sollten die Idee mit den mehreren Essenseinladungen fallen lassen und die Journalisten lieber herbitten, damit sie an Ort und Stelle und mit eigenen Augen sehen konnten, welch schönes Spiel hier gespielt wird.«
»Hab ich das geträumt, oder sprachen Sie von einer Pressereferentin?«
»Sie haben richtig gehört. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich nicht in der ersten Reihe stehen möchte. Die Werbeagentur hat eine PR-Abteilung, ein summender Bienenkorb lebhafter junger Frauen, die es für unerhörten Luxus halten, wenn sie eine ganze Stunde haben, um etwas auf die Beine zu stellen. Früh am Nachmittag, zwischen zwei und drei, haben sie die Journalisten kontaktiert, ihnen mitgeteilt, dass Der gute Roman bereits Schauplatz ungewöhnlicher Ereignisse sei, und ihnen vorgeschlagen, dort einstweilen inkognito selbst nachzuschauen und sich zur Ladenschlusszeit noch einmal einzufinden, um bei einem Glas Wein ihre Fragen zu stellen.«
Nun ja, es reichte nicht, sich zum Erfolg zu beglückwünschen. Noch eine halbe Stunde, und dann würde für den Guten Roman der zweite Tag anbrechen. Der Schwung durfte nicht nachlassen.
Van war schon wieder am Kassencomputer. »Vor allem müssen wir jetzt die Regale wieder auffüllen und nachbestellen«, sagte er.
Francesca hatte aus den Gesprächen mit ihm genug gelernt, um zu wissen, dass Schnelligkeit beim Wiederauffüllen der Regale und Bestände oberstes Gebot ist. Denn wenn der Kunde nicht findet, was er sucht, verzichtet er in seiner Enttäuschung vielleicht ganz auf den Kauf.
Der Drucker spuckte gerade die Liste der am Eröffnungstag verkauften Bücher aus. Einen Bogen nach dem anderen.
»Siebenhundertelf«, verkündete Oscar.
Zwei Drittel dieser Titel waren noch als Dublette vorrätig, auch das teilte ihnen der Computer mit.
»Und um das restliche Drittel«, sagte Francesca, »werde ich mich kümmern.«
28
V an hatte Francesca die Adressen der Verlage und der Großhändler gegeben. Sie war den ganzen Dienstag mit dem Wagen unterwegs und fuhr die jeweiligen Lager ab.
Einige Verlage haben noch ein Geschäft in Paris, dort fing sie an. Und jedes Mal, wenn sie mehr als fünfzehn Bücher beisammenhatte, fuhr sie bei der Buchhandlung vorbei. Sie hatte das Gefühl, Goldbarren zu transportieren, und bekanntlich wird es ein bisschen heikel, wenn man mehr als fünfzehn Goldbarren dabeihat, man ist auf der Hut, man hat den Eindruck, die Ampeln seien länger rot als grün, und wann immer man aus dem Wagen aussteigt, vergewissert man sich mehrmals, dass man auch alle Türen und Fenster und natürlich den Kofferraum abgeschlossen hat.
Nachdem sie die erste Rundfahrt hinter sich hatte, gegen zwei Uhr, fuhr Francesca nach Ivry – Volumen, Sodis, Union-Diffusion. Sie kehrte in die Rue Dupuytren zurück, um noch einen Abstecher nach Vanves – Hachette – zu machen und dann wieder den Carrefour de l’Odéon anzusteuern.
Wann immer möglich, nahm sie vier oder fünf Exemplare des betreffenden Buchs. Eduardo, einer der Cinéor-Chauffeure, den sie für diesen Tag angeheuert hatte, konnte ihr noch so oft versichern,
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