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Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman

Titel: Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Cossé
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was er morgens von Oscar erfahren hatte, dass nämlich diese Rundfahrt die erste und letzte ihrer Art sein werde, weil die Nachbestellungen ab dem nächsten Tag automatisch und per Boten geliefert würden – Francesca wollte ihr Bestes geben, das an diesem Tag nicht geringer sein durfte als ihre Freude, und die war groß.
    Wie mager sie ist, dachte Ivan, als er sie zum fünften Mal vor der Buchhandlung aus dem Auto steigen sah.
    Am späten Nachmittag fuhr sie nach Arpajon, wo ein Freund von Van, ein Bouquinist im Ruhestand, einen unvergleichlichen Vorrat antiquarischer Bücher angehäuft hatte, die er übrigens nur widerwillig und nur in Geldnot verkaufte. Während sie an den saftig-grünen Wiesen und den Feldern mit gelben Senfpflanzen vorüberglitt, hatte sie zum ersten Mal seit Langem das Gefühl, sie würde von einer Kraft mitgezogen, statt sich mit aller Willenskraft der Versuchung entgegenzustemmen, hilflos abzugleiten. Diese Kraft, würde sie Ivan viel später erklären, war nicht mehr und nicht weniger als die Hoffnung, endlich dieses für sie so wichtige Ziel zu erreichen, nicht irgendeinen Erfolg zu haben, sondern einfach nur etwas Gutes zu tun.
    Bei jedem ihrer Zwischenstopps in der Buchhandlung war Der gute Roman voll und entsprach fast genau der Vorstellung, die sie sich in ihren optimistischsten Momenten gemacht hatte: konzentrierte Leser, imstande, halbe Tage reglos zu verharren, Seite an Seite still in die Lektüre versunken, häufig stehend – freiwillig, denn Der gute Roman bot reichlich Sitzgelegenheiten, oder aber aus Zerstreutheit. Nur der für Süchtige typische, etwas abwesende Gesichtsausdruck verriet ihre Euphorie, wenn sie im Weggehen, ob mit Büchern beladen oder mit leeren Händen, dem Blick eines der Gralshüter begegneten, und draußen vor der Tür mussten sie sich anscheinend beherrschen, um keinen Freudentanz aufzuführen.
    Nach weniger als drei Wochen hatte Der gute Roman sein Publikum gefunden. Vom ersten bis zum letzten Herbsttag wurde die Buchhandlung nicht leer.
    Seit Anfang September waren in den Zeitungen Artikel voller Zuspruch erschienen, aber natürlich macht die Eröffnung einer Buchhandlung nicht gerade Schlagzeilen, und so schön und kühn ein solches Unternehmen auch sein mag, es wird eher im Wirtschaftsjargon beschrieben als lyrisch besungen.
    Was entscheidend war und was niemand vorhergesehen hatte, weder Doultremonts Experten noch die Werbeagentur noch die emsigen Pressereferentinnen, das war die Resonanz im Internet. Vom Montag der Eröffnung an ging es wie ein Lauffeuer von Blog zu Site zu Chatroom zu Forum: Der gute Roman wurde mit solcher Begeisterung gepriesen, dass jeder von dem heftigen Wunsch infiziert wurde, sich selbst einen Eindruck zu verschaffen. Ein Edelstein. Ein Muss für jeden, der es noch nicht kennt. Ein Geheimnis, das man gar nicht schnell genug verraten kann – das überschwängliche Lob erinnerte in der Form an Literaturkritiken und war auf seine Weise auch ebenso klischeedurchsetzt. Die Grundaussage war fast immer dieselbe: Endlich! Endlich eine Buchhandlung, wo es nur wirklich gute Romane gibt. Endlich eine echte Auswahl. Endlich darf man sicher sein, nicht enttäuscht zu werden.
    Die Presse behandelte diese um sich greifende Begeisterung zu diesem Zeitpunkt – Mitte September – wie ein nachrichtenwürdiges Ereignis. Darauf folgte der Rundfunk mit seinen Reportagen, und zum guten Schluss kamen auch die Fernsehsender mit ihren wenig aussagefähigen Bildern und verstümmelten Ivans Äußerungen, bis auch sie nichts mehr aussagten.
    Dennoch schien das Ganze positive Auswirkungen zu haben. Die Verkaufszahlen stiegen immer weiter an. Die von Francesca geplante Begleitwerbung erwies sich als überflüssig und Oscar als wahrer Online-Virtuose – nach einem Monat war er allein für Online-Bestellungen und Internetverkauf zuständig. Auch was die Nachbestellungen anging, entwickelte er sich zum Champion, er verbuchte die Wareneingänge und -ausgänge mit solcher Schnelligkeit und Präzision, er stand mit den Boten, diesen überaus wichtigen und sich ihrer Bedeutung sehr bewussten Rädern im Getriebe, auf derart gutem Fuß und wusste die Räumlichkeiten in der Rue Dupuytren so gut zu nutzen, dass nur noch sehr selten ein Buch nicht vorrätig war.
    Im Laufe der ersten Wochen erkannte Ivan unter den Kunden vier der in Paris wohnenden Komiteemitglieder, die inkognito gekommen waren, um sich anzuschauen, zu welchem Werk sie beigetragen hatten, und den

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