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Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman

Titel: Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Cossé
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zu sprechen«, schrieb er. »Doch wir, die wir seit vierzig Jahren in den – inzwischen hundertsechzig – Buchhandlungen der VLAM auf großen Verkaufsflächen möglichst viele Bücher anbieten, um eben auch eine möglichst große Auswahl und Vielfalt zu gewährleisten, haben wenig Verständnis für den entgegengesetzten Weg, den Der gute Roman einschlägt. Denn wir sehen darin eine Form von Klassenverachtung.
    Aufgrund unserer Vorstellung von Kultur und Demokratie stehen wir allem Normativen mit Misstrauen gegenüber. Wir lassen den Leser lieber selbst entscheiden, was gut für ihn ist.
    Es gibt Leute, denen gefällt Bernard Clavel besser als Thomas Pynchon. Das ist ihr gutes Recht. Es ist vor allem ihr Vergnügen, und wir werden uns nicht zum Richter darüber aufschwingen. Es ist wichtig, dass eine populäre Kultur existiert und unterstützt wird, aus der große Werke hervorgegangen sind. Manche Autoren, die bei ihrem Erscheinen von oben herab behandelt wurden, werden heute allgemein hoch geschätzt: Dumas, Verne, Hergé …
    Das grundlegende Problem beim Begriff des literarischen Wertes ist, dass sich dieser Wert im Laufe der Zeit ändert. So kann ein von den Zeitgenossen bejubeltes Werk hundert, ja manchmal schon dreißig Jahre danach nichtssagend erscheinen. Und umgekehrt wird ein anderes, das man für belanglos oder unschön hielt, später vielleicht in den Himmel gehoben.
    Unsere Liebe zum Roman und zum Buch ist so groß, dass wir nicht sehen, wie – und übrigens auch nicht, warum – wir durch eine Auswahl neunundneunzig Prozent der lieferbaren Titel ausklammern sollten. Unsere Passion, die Sache, für die wir uns einsetzen, ist die Achtung der kulturellen und der menschlichen Vielfalt.«
    Francesca kam vor der Buchhandlung an, als Ivan gerade heraustrat und sich dabei eine Jacke überzog.
    »Ich war sicher, dass Sie nicht lange warten würden«, sagte er. »Dabei brennt’s doch gar nicht.«
    »Was für ein Gespinst aus Spitzfindigkeiten.«
    »Nicht wahr? Aber wir missfallen auf allen Seiten, das ist gut. Erst Le Ponte , dann Le Bigaro – der ist mir genauso lieb.«
    »Ich hätte Lust, ihm mit einer Werbeseite zu antworten, auf der nur all die Bücher aufgelistet wären, die in Der gute Roman verkauft werden und die tatsächlich aus der populären Kultur stammen. Es gibt reichlich, angefangen bei den Erzählungen von Henri Pourrat bis hin zu Marie-Claire von Marguerite Audoux oder Schwarz-Barts Der Letzte der Gerechten .«
    »Das wäre eine elegante Lösung. Aber wenn wir mit einer Werbeseite auf einen Artikel reagieren, wird uns das zunächst sarkastische Kommentare eintragen wie: ›Argumenten haben sie sonst nichts entgegenzusetzen als eine Werbeseite für zehntausend Euro.‹ Francesca, haben Sie noch eine Stunde Zeit?«
    »Ich bin frei wie ein Vogel, Ivan. Leider.«
    Ivan machte eine Geste in Richtung Boulevard Saint-Michel.
    »Dann begleiten Sie mich doch zu einer Verabredung, die angenehm zu werden verspricht. Jemand bietet uns eine Erwiderung auf den Artikel von Grantarroi an. Das Angebot wurde mir telefonisch gemacht, kurz bevor ich Sie anrief. Und die betreffende Person erwartet uns.«
    »Kenne ich sie?«
    Ivan hatte keine Ahnung. Aber unter den Stammkunden gebe es einen rosigen, fröhlichen Mann in den Siebzigern, der als einer der Ersten seine Begeisterung zum Ausdruck gebracht habe, sehr viel kaufe und mit allen ins Gespräch komme.
    »Nicht etwa, dass er nur schwätzen würde«, stellte Ivan klar. »Er hat uns mehrere Titel zur Ergänzung vorgeschlagen. Er ist sehr beschlagen. Er war es auch, der auf die Ähnlichkeit unserer Abonnements mit denen der Verlagsbuchhandlungen früherer Zeiten hingewiesen hat.«
    »Wissen Sie seinen Namen?«
    »Noch nicht. Ich habe ihn eben am Telefon danach gefragt. Er bestellte mich ins Balzar und versprach, sich dort vorzustellen.«
    »Aber das ist doch Armand Delvaux«, sagte Francesca, als Van auf den Herrn in einer Ecke der Brasserie zeigte.
    »Der Mediävist?«
    »Ja, ich bin ganz sicher.«
    Van entschuldigte sich bei dem Historiker dafür, dass er ihn nicht früher erkannt hatte. »Dabei kenne ich Ihre Publikationen gut.«
    Delvaux hob die Hände von der Tischplatte.
    »Warum sagen Sie nicht: ›Ich kenne Ihren Roman!‹ Vor dreißig Jahren habe ich einen geschrieben und mir verteufelte Mühe dabei gegeben, aber er hatte keinen Erfolg.« Er wandte sich Francesca zu. »Ivan Georg und ich kennen uns seit der Eröffnung des Guten Romans , aber ich glaube,

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