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Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman

Titel: Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Cossé
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besonders, wenn ihre Studien nicht erwähnenswert sind, hat auf dem Kultursektor keinerlei Legitimation. Bestenfalls darf sie sich als Mäzenin betätigen, solange sie unsichtbar bleibt. Unterschreib die Schecks und halt den Mund!
    Schlimm ist auch, dass dieses Tribunal, das über kulturelle Verdienste wacht, nichts dagegen einzuwenden hätte, wenn ich mich in irgendwelchen Roben von irgendwelchen Modeschöpfern bei Galadiners sehen ließe. Dann würden sie mich in Ruhe lassen. Jeder an seinem Platz! Sie sehen das Paradox: Solange ich nur brav meine Rolle in der mondänen Welt spiele, ist alles in Ordnung. Sobald ich mich einsetze, sogar viel Geld einsetze, mache ich mich lächerlich, und was ich tue, wirkt dubios.«
    Van schwieg. Francesca war ihm dankbar dafür, dass er ihre Analyse nicht infrage stellte.
    »Trotzdem«, sagte er schließlich. »Ich frage mich, ob es nicht falsch war, Ihnen zu erlauben, sich bislang im Hintergrund zu halten. Früher oder später wird man nach den Gründen dafür suchen. Vielleicht hätten wir die Schwierigkeiten entschärfen können, wenn wir entsprechende Vorkehrungen getroffen hätten.«
    »Ich bin bereit, das, was ich Ihnen eben mehr schlecht als recht erklärt habe, auch öffentlich zu sagen.«
    »Ich hoffe, so weit wird es nicht kommen. Wir werden ja schließlich nicht vor Gericht stehen. Aber machen Sie sich darauf gefasst, früher oder später doch entdeckt zu werden.«
    Auch dieser Tag hatte ihnen einen beachtlichen Verkaufserfolg beschert. Van hatte den Eindruck, dass sich neu Hinzugekommene unter das Stammpublikum mischten.
    »Und raten Sie, wer gegen drei Uhr vorbeikam.«
    »Wer?«
    »Der Rote. Mit einem hübschen Lächeln auf seinem hübschen Gesicht. Er stieß die Tür auf und marschierte schnurstracks auf mich zu. Ich sah ihn sehr kühl an und hinderte ihn mit einem gestelzten ›Sie wünschen?‹ daran zu sprechen, das brachte ihn wieder auf den Boden der Realität zurück, und er stotterte: ›Haben Sie Bücher von Nabokov?‹«
    »Dabei haben wir gerade ihn besonders zur Diskretion angehalten. Ich höre ihn noch, wie er zu uns sagte: ›Das ist ganz einfach, ich werd gar nicht erst auftauchen.‹«
    »Als ich ihn zu Nabokovs Romanen führte, konnte er es sich nicht verkneifen, mir zuzuflüstern: ›Ich stehe sehr auf Ihrer Seite.‹ Ich habe nur trocken erwidert: ›Aber bitte nicht zu dicht dran.‹
    Und eine Stunde später schickte mir Scaf eine SMS, ganz offen: Von ganzem Herzen bei Ihnen . Ich antwortete: Beileidsbekundungen überflüssig. Stille geboten. Und diese Warnung habe ich vorsichtshalber auch an die übrigen sechs geschickt.«
    In dem Notizheft, das später in Francescas Schreibtisch gefunden wurde – und in dem übrigens nur wenige Seiten in ihrer großen steilen Schrift, die ihr so sehr glich, beschrieben waren, sieben, um genau zu sein –, war jeder Eintrag genau datiert. Am meisten berührt mich der Eintrag vom 19. Februar, dem Samstag, an dem Grantarrois Artikel erschienen war. Francesca beschreibt darin einen Traum.
    Wir befinden uns in einem großen Raum voller Menschen, wo, weiß ich nicht. Dass Sie nur zwei Schritte von mir entfernt sind, verwirrt mich, ich kann Ihnen nicht ins Gesicht sehen. Ich sehe auf Ihre Füße, auf Ihre ewigen beigen, geschnürten Clarks.
    Und da tun Sie etwas, das mich verblüfft. Sie treten mir mit einem Fuß auf die Spitze eines meiner Schuhe, ganz offen und fest.
    Sie haben sich dicht neben mich gestellt, und ich wage es immer noch nicht, Sie anzusehen. Sie drücken sich an mich und ergreifen gleichzeitig hinter meinem Rücken mein Handgelenk, Sie halten es sehr fest, fast quetschen Sie es.
    Alle hinter uns haben Ihre Geste natürlich gesehen.
    Ich brauchte nicht lange, um zu verstehen, wer mit »Sie« gemeint war. Alles in diesem Heft hat mit Van zu tun. Auch wenn sein Name nie fällt, geht es aus vielen Details klar hervor.

33
    Le Bigaro verhielt sich sehr korrekt. Die Antwort, die Armand Delvaux am Samstagnachmittag dem stellvertretenden Redaktionsleiter, zufällig ein ehemaliger Student von ihm, nach Hause gebracht hatte, erschien am Montagmorgen.
    Und am Montagnachmittag veröffentlichte Le Ponte Ivans Artikel, um ein Viertel gekürzt und etwas platt betitelt mit: »Totalitär, sagten Sie?« Aber auf einem guten Platz auf der Seite »Aussprache«.
    »Unentschieden«, sagte Francesca.
    »Wie bitte?«, fragte Ivan.
    »Zwei Punkte für beide Seiten.«
    Doch am Freitag schlug in L’Idée ein Kollektiv Freier

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