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Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman

Titel: Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Cossé
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Sie habe ich noch nie dort gesehen. Daran würde ich mich erinnern.«
    »Francesca und ich sind Geschäftspartner«, sagte Ivan und hoffte, Delvaux werde sich mit dem Vornamen begnügen und auch keine weiteren Erklärungen zur Art der Partnerschaft erwarten.
    Delvaux schien sich an dieser Vagheit nicht zu stören, er zog ohne weitere Umstände einen zweimal gefalteten Bogen Papier aus der Tasche, der auf einer Seite bereits mit etwas beschrieben war, das wie die Gliederung eines Exposés aussah.
    »Ich habe eine Idee«, sagte er. »Was gar nicht so oft vorkommt. Ich würde gern einen Artikel daraus machen und diesen beim Bigaro unterbringen. Diese Zeitung hat eine Schwäche für die ehrwürdigen Greise der Kulturinstitutionen und verwendet für Anmerkungen wie ›Professor am Collège de France‹ immer eine sehr hübsche Schriftart.«
    Seine Idee war, dass man die elitäre nicht der populären Literatur entgegensetzen solle, denn es sei nicht einmal hilfreich und darüber hinaus auch sehr schwer, sie voneinander zu unterscheiden. Die eine wie die andere bestehe aus vielen belanglosen Büchern und einigen Meisterwerken, daher sei das einzig Sinnvolle, die Meisterwerke herauszusuchen und deren Verbreitung zu fördern, wobei es unter diesen großen Büchern sowohl sehr einfache als auch sehr schwierige Texte gebe.
    »Da es aber um Ihre Verteidigung geht«, fügte Delvaux hinzu, »werde ich mit Ihrer Erlaubnis noch weiter gehen. Ich möchte schreiben, dass viel mehr Verachtung im Spiel ist, wenn mittelmäßige und gute Bücher gleich behandelt und so zum Verkauf angeboten werden, als wären alle gleich viel wert, denn das ist Demagogie. Der Demagoge nämlich behauptet, Gewöhnliches werde immer gewöhnlich sein.«
    »Wie können wir Ihnen danken?«, fragte Francesca.
    »Indem Sie nichts an Ihrer Buchhandlung ändern und nicht an Ihren Grundsätzen zweifeln.«
    Delvaux schlug vor, gemeinsam zu Mittag zu essen. »Die Austern sind nicht schlecht. Ich würde Sie sehr gern einladen.«
    Francesca war sich sicher, dass er sie im Verlauf eines längeren Gesprächs doch fragen würde, was sie zum Eintauchen in die Welt des Buchhandels bewogen habe, und dass früher oder später herauskommen würde, wer sie war. Deshalb lehnte sie die Einladung ab.
    »Ich bin schon verabredet, und das tut mir sehr leid, glauben Sie mir.«
    Doch sie sah Ivan mit ihren außerordentlich sprechenden Augen an und brachte ihn so dazu, die Einladung anzunehmen. »Ich gebe Oscar Bescheid«, sagte sie im Weggehen.
    Als sie, um ihr Versprechen zu erfüllen, in der Rue Dupuytren vorbeischaute, war die Buchhandlung immer noch sehr voll. Sie war fast versucht, Oscar an der Kasse zu unterstützen, denn die Schlange war lang. Doch Der gute Roman hatte Kunden, die anders waren als andere. Ihnen kam es auf fünf Minuten nicht an. Wenn sie ein bisschen warten mussten, unterhielten sie sich und zeigten sich gegenseitig die Bücher, die sie kaufen wollten.
    Als Francesca, wie meistens, einige Minuten nach Ladenschluss in die Buchhandlung kam, stieß sie auf Oscar, der seinen Arbeitstag immer kniend beendete. Sie wandte sich an Van: »Delvaux hat Sie doch sicher gefragt, wer ich bin.«
    »Nein. Er hat mich nach den Gesellschaftern gefragt, und ich habe etwas von Privatleuten gesagt. Das schien ihm zu genügen. Francesca, ich weiß ja, dass Sie nicht riskieren wollten, sich vorstellen zu müssen. Aber übertreiben Sie nicht mit Ihrer Vorsicht? Früher oder später müssen Sie ja doch in Erscheinung treten. Warum haben Sie so viel Angst davor?«
    »Ich will versuchen, es Ihnen zu erklären.« Sie zog die Brauen zusammen. »Wahrscheinlich ist es nicht so einfach zu verstehen. Ich glaube, wir haben schon einmal darüber gesprochen. Ich wollte immer etwas tun. Aber was immer ich anfange, ich werde scheel und ironisch herablassend angesehen, wobei dieser Blick nicht dem gilt, was ich tue, sondern dem, was ich bin. Das, was ich tue – und das ist das Schlimmste –, ist immer schon eingeschlossen im Urteil über mich. Sie werden schon sehen, sobald meine Rolle in der Buchhandlung bekannt wird, wird sich auch die Kritik verdoppeln: Sie werden mich diskreditieren und die Buchhandlung gleich mit, als sei das selbstverständlich. In Frankreich muss ein Intellektueller, ja selbst ein einfacher Unternehmer auf dem Kultursektor, aus bescheidenen Verhältnissen stammen und aus eigener Kraft, nur aufgrund seiner Arbeit, die Stufen zum Erfolg erklommen haben. Eine Frau wie ich,

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