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Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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schien zu merken, dass es nun an der Zeit war zu gehen. Ben und ich blieben zurück. Frustriert starrten wir auf die Essensreste. Ich überlegte, ob ich auch verschwinden sollte. Aber vielleicht brauchte Ben mich noch.
    »Ben.« Ich ging auf ihn zu, aber er wandte sich enttäuscht ab. »Es tut mir leid. Ich weiß, wie wichtig das für dich ist.«
    »Tatsächlich?« Er sah mich finster an. »Warum hast du mir dann nicht mehr den Rücken gestärkt? Das wäre doch das Mindeste gewesen, oder? Ich dachte, du wärst auf meiner Seite, dabei hast du dich genauso verhalten wie die anderen.«
    »Sei nicht ungerecht. Ich habe versucht, mich auf deine Seite zu stellen, aber man darf die Probleme nicht einfach ignorieren. Außerdem wollte ich nicht lügen.«
    »Trotzdem habe ich mir mehr Unterstützung von dir erhofft. Meiner Meinung nach sind die Leute entweder für oder gegen mich. Und du warst heute Abend definitiv gegen mich.« Gereizt verzog er die Lippen.
    »Nimm das doch nicht so persönlich.« Einerseits schockierten mich seine Vorwürfe, andererseits wollte ich ihn trösten. »Wir haben nur versucht, die Diskussion objektiv zu führen, mehr nicht. Und deine Arbeit haben alle nur gelobt.«
    Bens Augen glitzerten eisblau. »Du warst gegen mich, Fran, und das hat mich zutiefst verletzt. Ich dachte, wir wären Freunde.«
    Jetzt wurde ich böse. »Das ist doch Unfug! Du bist ungerecht.« Wieso benahm er sich plötzlich wie ein bockiges Kleinkind? »Wenn überhaupt, dann könnte ich mich von dir hintergangen fühlen. Schließlich hast du dafür gesorgt, dass die Orgel statt des Fensters restauriert wird, ohne mir gegenüber ein Wort darüber zu verlieren.«
    »Aber die Orgel ist viel wichtiger als dein Engel, das musst du doch verstehen.«
    »Darum geht es nicht. Ich fühle mich einfach nur über den Tisch gezogen, das ist alles.«
    Darauf gab er keine Antwort.
    »Ben«, begann ich schließlich noch einmal. »Lass uns nicht streiten, bitte.«
    »Wer streitet denn?« Ganz plötzlich änderte sich seine Laune. »Es ist immer dasselbe.«
    »Was?«
    »Ich komme mit einer Sache gut voran, und dann baut sich plötzlich eine Wand vor mir auf. So als würde jemand versuchen, mich aufzuhalten.«
    Ich fragte mich, welche Sachen er meinte, und erinnerte mich an die Plakate und Broschüren für seine Soloauftritte im anderen Zimmer, die alle ein paar Jahre alt waren.
    »Wie meinst du das?«
    »Es sieht so aus, als würde ich mit dem, was ich vorhabe, einfach nie weiterkommen.«
    »Das stimmt doch nicht. Du hast einen Beruf, um den dich viele beneiden würden. Du hast so viel geschafft.«
    »Aber ich bringe nichts voran.« Er nahm eine CD vom Stapel und steckte sie mit theatralischer Geste in ein Abspielgerät. Sekunden später waren die Geräusche eines Konzertsaals zu hören. Leute nahmen ihre Plätze ein, hüstelten, raschelten mit den Programmheften. Es ertönte lauter Applaus, als der Künstler die Bühne betrat, dann herrschte vollkommene Stille. Dann setzte Klavierspiel ein, brillant, berauschend, leidenschaftlich.
    Ich warf einen Blick auf die Hülle, die Ben in der Hand hielt – Ashkenazy, einer der begabtesten Pianisten der Welt. Und Ben hatte es nie auch nur annähernd so weit gebracht. War es das, was er mir sagen wollte?
    Ein kurzer Tastendruck, und die Musik verstummte. Ben drehte sich um und ging hinaus, knallte nebenan eine Tür zu. Im nächsten Moment begann er, Beethoven zu spielen. Fortissimo.
    »Oh!« Ich hätte am liebsten auf etwas geschlagen oder wäre weggelaufen, zwang mich aber, bis zehn zu zählen. Nein, ich wollte mich nicht so kindisch benehmen wie er. Frustriert begann ich, Gläser und Teller auf ein Tablett zu stellen, war sauer, dass er mich stehen gelassen hatte.
    Es beruhigte mich, die Teller in die Spülmaschine zu räumen und die Gläser mit der Hand zu spülen. Vor Bens Küchenfenster hingen keine Gardinen, und draußen war es dunkel. In den Häusern ringsherum waren die Lichter an. Die Londoner kochten, legten Wäsche zusammen, brachten ihre Kinder ins Bett oder schauten einfach nur in den Himmel. Hoch über mir blinkten die Positionslichter eines Flugzeugs. Das Leben ging weiter.
    Als ich das letzte Glas polierte, erschien Ben in der Küchentür. Ich beobachtete sein Spiegelbild im Fenster.
    Schließlich murmelte er: »Fran, es tut mir leid.« Ich drehte mich um, und mein Ärger war komplett verflogen, als ich sein jungenhaftes Lächeln sah. Unbeholfen hob er die Hand.
    »Du hast mich sehr

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