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Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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nicht sicher, ob es Ihrem Vater recht gewesen wäre. Lassen Sie es mich erklären. Im Mai kam Ihr Vater in einem sehr beunruhigten Zustand zu mir. Er sagte, sein Gewissen belaste etwas, das er mir gern anvertrauen würde, um meinen Rat dazu zu hören. Ich glaube, allein die Tatsache, dass er sich jemandem mitteilen konnte, hat ihn bereits ungeheuer erleichtert. Er fühlte sich schuldig; ein bohrendes Schuldgefühl hatte ihn innerlich erfrieren lassen. Ja, das waren genau die Worte, die er benutzt hat: ›innerlich erfrieren lassen‹. Er sagte, aus diesem Grund hätte er sein Leben verschwendet.
    Es bedurfte einiger Überredungskünste meinerseits, ihn dazu zu bringen, mehr zu sagen. Sie wissen ja selbst, wie verschlossen er ist und wie schwer es ihm fällt, über Gefühle zu reden. Ich glaube, er hatte vor allem Ihnen gegenüber ein schlechtes Gewissen und fürchtete, Ihnen nie genug von sich gegeben zu haben. Die Vergangenheit hat ihn immer verfolgt. Er konnte nie einfach nur nach vorn schauen, sich auf das konzentrieren, was hier und jetzt geschieht. Vor allem im Hinblick auf Sie.«
    »Oh Dad!«, rief ich. »Jeremy, warum hat es denn nur so lange gedauert, bis er das erkannt hat?«
    »Das ist sehr traurig, nicht? Ich habe versucht, ihn zu trösten. Kinder großzuziehen ist oft schwer, sehr schwer, und es gibt auch in meinem Leben Dinge, die ich heute bedauere, vor allem in Bezug auf meine Töchter. Aber ich hatte immer meine wunderbare Sarah, während es für ihn niemanden gab, dessen Rat er einholen konnte. Und trotzdem, wenn ich Sie so vor mir sehe, denke ich, eigentlich hat er seine Sache sehr gut gemacht.«
    Offenbar wirkte ich sehr niedergeschlagen, denn Jeremy klopfte mir aufmunternd auf den Arm, ehe er weitersprach.
    »Ehe ich Ihnen den Brief gebe, würde ich Ihnen gern erklären, in welchem Zustand sich Ihr Vater befand, als er den Brief damals geschrieben hat. Vielleicht hilft Ihnen das, ihn besser zu verstehen.«
    Ich nickte stumm, und er fuhr fort.
    »Ihr Vater hat immer wieder auf ein Geheimnis verwiesen, das offenbar die Ursache für all seine Probleme war. Er wollte unbedingt wissen, welche Sünden meiner Meinung nach verzeihlich sind. Ich versuchte ihm zu erklären, dass es keine Sünde gibt, die Gott einem Menschen, der aufrichtig Reue zeigt, nicht verzeiht. Aber damit gab er sich nicht zufrieden. Er beharrte darauf, dass es in manchen Fällen einfach nicht reichen würde, um Entschuldigung zu bitten, und man sich Vergebung durch harte geistige Arbeit erst verdienen müsse. Aber dafür sei es viel zu spät.«
    Jeremy schüttelte den Kopf. »Daraufhin habe ich ihm zu erklären versucht, dass wahre Reue natürlich bedeutet, sein altes Verhalten aufzugeben und bereit zu sein für geistige Erneuerung im Zeichen des Kreuzes. Und dass es kein leichter Weg sein wird. Ich drängte ihn zur Beichte, denn das ist der erste Schritt: seine Fehler zu sehen und anzuerkennen und sich von ihrer Last zu befreien. Und dann ging er eines Tages diesen Schritt. Er erzählte mir von Ihrer Mutter und von den Umständen ihres Todes.«
    Jeremy schien um Atem zu ringen und schloss die Augen, um neue Kraft zu schöpfen. Ich wartete; zugleich wollte ich irgendwie nicht, dass er weitersprach. Der Tod meiner Mutter . Ich wusste nur, dass sie nach einem Verkehrsunfall im Krankenhaus gestorben war. Was, wenn das alles nicht stimmte? Was, wenn ich nun etwas erfuhr, das völlig unerträglich war? Ich wäre am liebsten aus dem Zimmer gelaufen.
    Jeremy öffnete die Augen, als hätte er das gespürt. »Ihre Mutter war wunderschön, atemberaubend schön. Er hat mir mal ein Foto von ihr gezeigt …«
    »Ich weiß«, antwortete ich patzig, denn ich war immer noch sauer, dass er mir das Bild nie gezeigt hatte.
    »Natürlich. Natürlich wissen Sie das. Sarah hat recht. Sie sehen Ihrer Mutter sehr ähnlich.«
    »Glauben Sie, das war einer der Gründe des Problems?« Der Gedanke kam mir zum ersten Mal. »Habe ich ihn zu sehr an sie erinnert?«
    »Das könnte natürlich sein. Aber vor allem hatte er Angst, Sie könnten ihm nicht verzeihen, dass er Ihnen die Mutter genommen hat.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Er fühlte sich verantwortlich für ihren Tod, Fran.«
    Jetzt war mir beinahe schlecht vor Angst. Aber ich konnte die Unsicherheit nicht länger ertragen. »Jeremy, wo ist der Brief? Ich muss ihn unbedingt lesen.«
    »Ich habe ihn bei mir, Fran.« Er zog einen Umschlag aus der Tasche und reichte ihn mir.
    »Frances Morrison«, stand darauf.

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