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Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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dieser Ängste hofften wir, dass unsere Beziehung nach Deiner Geburt wieder harmonischer verlaufen würde, dass Du uns wieder enger zusammenschweißen würdest.
    »Das ist eine große Verantwortung für ein kleines Baby«, meinte Jeremy seufzend. Er las weiter.
    Nach Deiner Geburt waren wir eine Zeit lang glücklich. Du warst ein zufriedenes Baby und hast fast von Anfang an nachts durchgeschlafen. Und nach einigen Monaten war Deine Mutter mit der Hilfe eines Kindermädchens in der Lage, wieder mit dem Singen anzufangen. Sie stellte fest, dass es ihr Spaß machte, ein Baby zu haben. Wir waren beide völlig begeistert von Dir.
    Tränen liefen mir übers Gesicht. Jeremy sah mir schweigend zu. Eine der Kerzen auf dem Altar flackerte und erlosch dann. Er schaute auf seine Armbanduhr und faltete den Brief langsam zusammen. »Kommen Sie«, sagte er leise. »Wir gehen jetzt besser zurück, sonst schickt Sarah noch ein Suchkommando los. Sollen wir später weiterlesen? Oder lieber erst morgen?«
    »Morgen«, antwortete ich. »Ich bin erschöpft. Danke.«
    Er schloss die Tür ab, und ich war unendlich dankbar, dass er bei mir war.
    In dieser Nacht schlief ich schlecht. Der Gedanke an den Brief meines Vaters wollte mir nicht mehr aus dem Kopf gehen. Am nächsten Morgen suchte ich alles zusammen, was ich über meine Mutter finden konnte, und betrachtete es mit ganz anderen Augen. Das Foto, das noch immer in dem Burne-Jones-Buch steckte, das sie Dad gegeben hatte. Ihre Augen waren voller Leben und Hoffnung. So musste sie ausgesehen haben, als sie sich kennenlernten.
    Ich nahm das Foto und das Programmheft mit, als ich an diesem Nachmittag mit Zac zu Dad ging. Auch wenn Dad das Bild nicht sehen und nicht hören konnte, was ich ihm zu sagen hatte, half es mir, in Dads Anwesenheit mit Zac über meine Mutter zu reden. Wer wusste schon, ob Dad nicht doch etwas von unserer Unterhaltung mitbekam? Zac sagte außer »Sie ist sehr hübsch« nicht viel, als ich ihm das Porträt zeigte.
    An diesem Abend zogen Jeremy und ich uns in die gemütlichen Sessel in seinem Arbeitszimmer zurück. Er hantierte eine Weile, um den Gaskamin in Gang zu setzen, und fluchte dabei auf ziemlich unchristliche Weise. Schließlich nahm er Dads Brief aus der Schreibtischschublade und setzte sich.
    »Sind Sie sicher, dass Sie das wollen?«, fragte er.
    »Ich muss«, entgegnete ich.
    Er begann zu lesen.
    Als Du ein Jahr alt warst, hat Deine Mutter Dich zurückgelassen und ist zu einer Konzerttournee nach Deutschland gereist. Deine Großmutter kam solange zu uns, weil ich selber arbeiten musste und mich mit Dir als Baby überfordert fühlte. Heutzutage wechseln die jungen Väter im Nu eine Windel, aber ich hatte das noch nie getan.
    Eine Woche später kam Deine Mutter zurück, und ich merkte sofort, dass irgendwas anders geworden war. Sie wirkte mir gegenüber so verschlossen. Zu Dir war sie immer noch zärtlich, aber mir gegenüber benahm sie sich häufig distanziert und abwesend. Ich stellte zu meinem Entsetzen fest, dass wir uns immer mehr auseinanderlebten, aber ich wusste nichts dagegen zu tun. Ich wurde zunehmend ungeduldig und war bitter enttäuscht.
    Danach hat sie Dich jedes Mal bei mir gelassen, wenn sie auf Tournee ging. Sie hat mich nie wieder gebeten, sie zu begleiten. Sie sagte, es sei nicht gut für Dich, wie eine Einkaufstasche herumgetragen zu werden, es sei besser, wenn Du bei mir zu Hause bliebest, auch wenn sie Dich vermisste. Wenn Deine Großmutter nicht kommen konnte, bat ich das Kindermädchen, uns auszuhelfen. Aber irgendwie war ich mehr und mehr allein verantwortlich für Dich und stellte zu meiner Überraschung fest, dass ich es genoss.
    Das ging so bis zu Deinem zweiten Geburtstag. Und dann kam der 23. Juni 1965, jener grauenvolle Abend. Ich bin ihn in Gedanken so häufig durchgegangen, dass ich mich kaum noch an Einzelheiten erinnere, aber ich werde es versuchen. Angela kam in den frühen Morgenstunden nach Hause und weckte mich völlig aufgelöst. Aber sie wollte mir nicht sagen, was passiert war, und wir stritten uns. Nach und nach kam alles raus. Sie hatte eine Affäre mit einem Musiker-Kollegen gehabt – einem jungen englischen Tenor, den sie in Berlin kennengelernt hatte. Sie habe sich in ihn verliebt, sagte sie. Sie war leichenblass und erschöpft, aber ihr Zustand hat mich nicht interessiert. Ich war außer mir vor Wut, doch fest entschlossen, mir nichts anmerken zu lassen. Ich bat sie zu gehen. Sie erzählte mir, dass die Affäre

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